Kommentar zum BÄK-Programm
Digitalisierte Medizin darf kein Traum bleiben!
Die Bundesärztekammer präsentiert ein Deutschland-Programm für die digitalisierte Medizin. Corona könnte Wunder bewirken.
Veröffentlicht:Hätte der Deutsche Ärztetag vor zwei Jahren in Erfurt nicht das Fernbehandlungsverbot gekippt, hätte es sicher einiger juristischer Verrenkungen bedurft, um diesen Schritt dieses Jahr in Windeseile nachzuholen. Warum? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Corona-Pandemie, die wie eine Walze auch über Deutschland zu rollen drohte.
Der Lockdown, die grassierende Angst, sich mit dem „Killer“-Virus beim Aufenthalt in der Arztpraxis sowie in der Klinik anzustecken oder auch die eingeschränkten Besuchsregeln für Krankenhäuser und Heime – sie alle förderten schlagartig die Akzeptanz bis dato eher, auch ärztlicherseits, teils despektierlich betrachteter digitaler Lösungen wie Videosprechstunden.
Plötzlich war die elektronische Krankschreibung, die Abklärung einer Bindehautentzündung beim Ophthalmologen, aber auch die psychotherapeutische Versorgung im Online-Format in immer mehr Praxen gelebter Alltag – eine Entwicklung quasi im Zeitraffer. Und in Zukunft?
Digitalen Turbo zünden
Die Bundesärztekammer (BÄK) treibt wohl – zu Recht – die große Sorge um, dass Deutschland nach dem Bewältigen der Coronavirus-Pandemie vor allem in der medizinischen und pflegerischen Versorgung wieder in den analogen Gang zurückschaltet, anstatt den digitalen Turbo zu zünden.
Deshalb hat sie nun am Mittwoch einen Zwölf-Punkte-Plan präsentiert, nach dem Deutschlands Gesundheitswesen im Sinne einer optimierten, effektiven sowie effizienten Versorgung durchdigitalisiert werden könne.
Unter dem nicht gesondert ausgewiesenen Adressatenkreis des BÄK-Positionspapiers zur „digitalen Transformation in der Medizin in Pandemiezeiten“ sind offensichtlich auch die gesundheitspolitischen Vertreter aus Bundes- und Landespolitik – an sie geht der Hinweis, dass es zur Realisierung der Maßnahmen eines entsprechenden Infrastrukturprogramms bedürfe, also die Schatulle auch tatsächlich geöffnet und Geld zur Verfügung gestellt werden müsse.
Darf kein Traum bleiben!
Das Junktim mit der gegenwärtigen und potenziellen künftigen Pandemien ist dabei geschickt gewählt, denn so dürften sich Geldtöpfe leichter öffnen lassen, als wenn es um die schnöde zukunftsfähige Versorgung geht, die Gegenstand schon abertausender Sonntagsreden war und nun wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt.
In diesem Sinne bleibt zu wünschen, dass Corona in der Retrospektive neben all seinen Schrecken auch ein Virus gewesen ist, das Deutschlands Gesundheitssystem nachhaltig digitalisieren half. Denn eines ist sicher: Die digitalisierte Medizin mit ihren vielfältigen Möglichkeiten darf kein Traum bleiben!
Schreiben Sie dem Autor: matthias.wallenfels@springer.com