Tx-Prozess

Ein Angeklagter dreht den Spieß um

Kehrtwende im Göttinger Prozess um mutmaßliche Manipulationen bei der Transplantation: Jetzt hat Verteidiger des angeklagten Chirurgen Strafantrag gestellt. Er spricht vom Verdacht eines Tötungsdelikts.

Veröffentlicht:
Archivbild: Der Prozess um den ehemaligen Göttinger Cheftransplanteur (Mitte) wird wohl länger dauern.

Archivbild: Der Prozess um den ehemaligen Göttinger Cheftransplanteur (Mitte) wird wohl länger dauern.

© Swen Pförtner / dpa

GÖTTINGEN. Der Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Uniklinikum wird sich wohl länger hinziehen als geplant. Zunächst hatte das Landgericht Göttingen den seit August vergangenen Jahres laufenden Prozess bis zum Mai terminiert.

Inzwischen habe die Kammer Verhandlungstermine bis zum Juli festgesetzt, teilte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage mit.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat diese Woche weitere Beweisanträge gestellt. Sie möchte, dass im Prozess diverse Schriftstücke zum Fall eines vor kurzem gestorbenen Patienten verlesen werden.

Diese sollen nach ihrer Ansicht belegen, dass der angeklagte Transplantationschirurg den an einer chronischen Entzündung der Gallenwege (PSC) leidenden Patienten ohne ausreichende Aufklärung auf die Eurotransplant-Warteliste für eine Lebertransplantation gesetzt habe.

Aus den Unterlagen ergebe sich, dass sich der Patient nur unzureichend und zum Teil falsch aufgeklärt gefühlt habe und nicht über Behandlungsalternativen informiert worden sei.

Der Angeklagte habe gegenüber dem Patienten die Risiken einer Transplantation beschönigt und die Überlebenschancen mit 90 bis 95 Prozent angegeben. Auswertungen des Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) in Göttingen hätten jedoch ergeben, dass die Überlebensrate von Transplantationspatienten des Göttinger Uniklinikums deutlich niedriger gewesen sei.

Der Anteil der Patienten, die ein Jahr nach der Lebertransplantation noch am Leben waren, habe 2009 bei 85,71 Prozent gelegen, 2010 bei 78,26 Prozent und 2011 bei 60,9 Prozent.

Der Nachfolger des Angeklagten hatte später den betroffenen Patienten von der Warteliste heruntergenommen. Der Verteidiger des Chirurgen, Rechtsanwalt Steffen Stern, hat wegen dieser Streichung Strafanzeige gegen Verantwortliche des Klinikums erstattet. Es bestehe der Verdacht eines Tötungsdeliktes, sagte Stern.

Sein Mandant habe den Patienten auf die Warteliste gesetzt, weil die Gefahr bestanden habe, dass sich ohne Lebertransplantation ein Tumor entwickeln könnte. Diese Befürchtung habe sich nun bewahrheitet.

Der Patient habe keine neue Leber bekommen und sei an dem von seinem Mandanten prognostizierten Leiden gestorben. Laut Staatsanwaltschaft war eine Transplantation aufgrund des Gesundheitszustandes des Patienten nicht angezeigt gewesen. Dies hätten Ärzte der Medizinischen Hochschule Hannover bestätigt. (pid)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
HSK im Fokus: Der Hauptstadtkongress 2024 findet von 26. bis 28. Juni in Berlin statt.

© Rolf Schulten

Themenseite

Hauptstadtkongress: Unsere Berichte im Überblick

Bei Leberzirrhose liegt das Risiko für eine Dekompensation im ersten Jahr nach Diagnosestellung bei bis zu 30 Prozent; eine der häufigsten Formen der Dekompensation, Aszites, entwickelt sich im Laufe des Lebens bei bis zu 40 Prozent der Personen mit Leberzirrhose.

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Studie mit über 10.000 Personen

Leberzirrhose: Niedrigere Komplikationsrate unter SGLT-2-Inhibitoren