Kommentar zur Krankenhausfinanzierung

Klinikfinanzen auf der Kippe

Wer bestellt bezahlt, heißt es. Bei der Krankenhausfinanzierung geht dabei seit langem etwas auseinander. Der Reformbedarf sticht zunehmend hervor.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

Nächstes Jahr wird das Krankenhausfinanzierungsgesetz 50 Jahre alt. Willy Brandt (SPD) war Kanzler einer sozialliberalen Koalition, als im Januar 1972 damit die duale Finanzierung der Krankenhäuser beschlossen wurde. Für die Investitionen sollte die öffentliche Hand, hier die Länder, zuständig sein, die Betriebskosten sollten die Krankenkassen übernehmen. Die Planungshoheit sollte den Ländern obliegen. Was seither daraus geworden ist, lässt sich für Außenstehende ohne betriebswirtschaftliches Krankenhaus-Controlling-Know-how nur schwer durchschauen.

Tatsache ist, dass allerspätestens seit der Scharfschaltung der Fallpauschalen 2003 eine Schere begann aufzugehen. Die Länder entzogen sich zusehends ihrer Verantwortung. Notwendige Investitionen in die Baulichkeiten und in Großgeräte wurden aus den Fallpauschalen finanziert. Das war der Ausgangspunkt der unseligen und bis heute geführten Mengendiskussion um die Notwendigkeit von Hüft-, Schulter- und Kniegelenksimplantaten oder PCI-Operationen. Bis hinauf in die Ebene der Leitenden Krankenhausärzte beklagen Mediziner den wirtschaftlichen Druck, der möglicherweise auch von den fehlenden Investitionsmitteln der Länder herrührt.

Kalter Wandel?

Ob gewollt oder nur Nebeneffekt: Tatsache ist, dass die Zahl der Krankenhäuser abnimmt. „Kalten Strukturwandel durch Insolvenzen“ schimpft die Krankenhaus-Lobby diese Entwicklung.

Lesen sie auch

Alljährlich rechnen die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die gesetzlichen wie privaten Kostenträger vor, dass von den benötigten Mitteln, wenn überhaupt, nur die Hälfte ankomme. Aktuell ist die Rede von einem Bedarf von gut sechs Milliarden Euro, der höchstens zur Hälfte gedeckt werde. Die Länder sind, wie in vielen anderen Fällen, auch an dieser Stelle keine homogene und vergleichbar handelnde Gruppe mehr. Nach verschiedenen Modifikationen des Gesetzes gibt es Pauschalförderung, Einzelförderung, die vergleichsweise neuen Investitionsbewertungsrelationen sowie Zwischenstadien dieser Optionen. Die Landschaft präsentiert sich heterogen.

Der Bund steigt kräftig ein

Mit dem Bund ist inzwischen ein weiterer Mitspieler hinzugekommen. Er hat sich Möglichkeiten gesichert, zum Beispiel die Hochschulmedizin institutionell zu fördern. Dafür haben Bund und Länder 2015 sogar das Grundgesetz geändert.

Zudem hat der Bund einen Krankenhausstrukturfonds aufgelegt, der inzwischen bereits bis 2024 verlängert worden ist. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz von 2020 steigt der Bund zudem in die Digitalisierung der Krankenhäuser ein. Die Länder sollen ein Drittel der Projektkosten zubuttern, wenn das Geld aus Berlin fließen soll.

Auch der GBA mischt mit

Ein weiterer Akteur ist der Gemeinsame Bundesausschuss. Er hat 2018 nach langen Beratungen rund 1200 Krankenhäuser festgelegt, die an der Notfallversorgung teilnehmen dürfen. Die übrigen rund 700 fielen gegen die Stimmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft durchs Raster. Dass dies mindestens den Effekt eines lauwarmen Strukturwandels in sich trägt, hat sich in der Pandemie gezeigt. Ausgleichszahlungen des Bundes für corona-bedingte Einnahmeausfälle wurden nach einer ersten Phase der Gießkannenförderung in eine Förderung entlang der GBA-Kriterien umgewidmet.

Es zeigt sich eine Richtung. Finanzierung und Planungsverantwortlichkeiten passen nach einem halben Jahrhundert nicht mehr zusammen. In der kommenden Legislaturperiode, so steht zu erwarten, werden die verschiedenen Entwicklungsstränge zusammengebunden. Die Wahlprogramme der Parteien lassen dies annehmen. Von der Zentrenbildung über Krankenhausschließungen bis zur verstärkten Umwandlung kleiner Häuser in ambulante Versorgungseinheiten mit Kurzliegermöglichkeiten sowie pflegerischer und rehabilitativer Versorgung wird durch die Blume alles angedeutet. Eine Chronifizierung des Status quo sollte auf jeden Fall nicht dabei herauskommen. Weder Demografie noch Kassenlage lassen das noch lange zu.

Schreiben Sie dem Autor: anno.fricke@springer.com

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Dr. med. Gerhard M. Sontheimer (ANregiomed, Region Ansbach) und Holger Baumann (Kliniken der Stadt Köln, v.l.) haben in der Praxis gute Erfahrungen mit Systempartnerschaften gemacht.

© Philips

Mehr Spielraum für moderne Prozesse in der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Philips GmbH Market DACH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sechs große Studien ausgewertet

Metaanalyse: Intensive Blutdrucksenkung bringt mehr Nutzen als Schaden

Hausärztinnen- und Hausärztetag

Haus- und fachärztliche Zusammenarbeit: Wo es läuft und woran es hakt

Lesetipps
Patienten, die besonders gesundheitlich gefährdet sind, sollten im Herbst eine Auffrischung gegen COVID-19 erhalten.

© fotoak80 / stock.adobe.com

Comirnaty® nur in Mehrdosisflaschen

Bund hat geliefert: Start frei für COVID-19-Auffrischimpfungen

Ein junger Mann hält sich die Hände auf die Brust.

© underdogstudios / Fotolia

Inflammatorisches myoperikardiales Syndrom

Myokarditis und Perikarditis: Das empfiehlt die neue ESC-Leitlinie