Erfolgreich forschen in Deutschland - das geht

Es sind Winzigkeiten, mit denen sich Professor Christoph Klein von der Medizinischen Hochschule Hannover täglich befasst: Gene und ihre Defekte. Aber damit hat er es zu Großem gebracht.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

HANNOVER. Professor Christoph Klein wurde für seine Erfolge bei der Bekämpfung seltener genetisch verursachter Krankheiten bei Kindern und ihrer Erforschung mit dem diesjährigen Leibnitzpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem bedeutendsten Wissenschaftspreis in Deutschland ausgezeichnet. 2,5 Millionen Euro bekam der Kinderarzt und Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) so für seine Forschungen in Hannover.

Zehn Kinder genesen nach Wiscott-Aldrich-Syndrom

"Das bietet uns eine märchenhafte Freiheit", sagt Klein. Rund 6000 Krankheiten gibt es, die durch die Fehlfunktion eines einzelnen Gens hervorgerufen werden. "Für betroffene Eltern und Kinder eine enorme Belastung, weil sie zunächst von Arzt zu Arzt laufen, ohne dass ihnen geholfen werden kann." Einer der seltenen Immundefekte, die Klein in Hannover behandelt und gegen den er ein Verfahren entwickelt hat, ist das Wiscott-Aldrich-Syndrom, das zu starken inneren Blutungen und sogar zum Tod führen kann. "Wir haben zehn Kinder behandelt und alle sind gesund", freut sich Klein.

Der 45-Jährige ist ein freundlicher, ruhiger Mann, der in dem einstündigen Gespräch niemals die Stimme hebt. Er sagt: "Ich kann ja nichts für meine Begabung. Die habe ich einfach mitbekommen." Und wenn die Rede auf den Preis kommt, betont er, wie sehr sein ganzes Team die Anerkennung verdient habe - von den ärztlichen Kollegen bis zum Sekretariat. Er und sein Team haben den Preis dafür erhalten, dass sie eine Brücke geschlagen haben zwischen Forschung und Praxis. Die Verbindung von Grundlagenforschung und klinischer Praxis auf höchstem Niveau sei in Deutschland noch "eher selten", heißt es in der Begründung der DFG. Das sieht Klein ähnlich: "Viele unserer Mediziner sind sehr gute Forscher aber keine Ärzte mehr."

Kleins Institut liegt im ersten Stock eines nüchternen Plattenbaus hinter der Kinderklinik der MHH. Im Erdgeschoss ist die Kinder-Dialyse untergebracht. Hier sieht es mehr nach Verwaltung aus, denn nach aufregender Forschung.

Wer Kleins Vita liest, fragt sich allerdings, warum er nicht in den USA geblieben ist. Schon zwei Mal war er an der Harvard Medical School, einmal als Arzt, einmal als Professor. "Die hohe Anzahl von klugen Ärzten und Leuten dort ist wirklich faszinierend", staunt Klein jedenfalls noch heute. Trotzdem ist er nach Deutschland zurückgekehrt. Gerne würde man jetzt über den Forschungsstandort Deutschland schreiben, der es fertig brachte, einen Spitzenmann wie Christoph Klein von der Harvard Medical School an die MHH zu locken. Und wirklich: Klein findet den Forschungsstandort Deutschland immer besser. "Besonders in der Biomedizin steht Hannover ganz weit oben", sagt er.

Kollegen in USA frotzelten über Rückkehr in die Heimat

Dass Mediziner nur ganz selten mit dem Leibnitzpreis geehrt werden, und dass er, Klein, der erste Pädiater überhaupt ist, dem diese Ehre zuteil wurde, dürfte auch nachdenklich machen. "Back to the Hinterland", habe denn auch einer seiner Kollegen in Harvard gewitzelt, als Klein die Koffer packte. Heißt das, die medizinische Forschung in Deutschland hat international mehr aufzuholen, als andere Fakultäten? Klein lächelt zurückhaltend, sagt aber dann doch: "Das kann man vielleicht so sagen." Tatsächlich waren es vor allen anderen private Gründe, die den Professor wieder nach Deutschland führten.

Der Arzt ist verheiratet und hat zwei Kinder im Teenager-Alter. Die Entscheidung für Hannover sei "eine gute Entscheidung gewesen", versichert Klein, "im Übrigen gibt es hier viele begabte Leute. Manche meiner früheren Mitarbeiter sind heute Professoren in Yale." Aber es gab auch noch eine ganz anderer Motivation: "Deutschland hat mich und meine Arbeit immer sehr gefördert und unterstützt", berichtet Klein, "und davon möchte ich etwas zurückgeben."

Der Mann weiß also, wo er herkommt - aus Ehingen, einem Barockstädtchen an der Donau. Wer genau hinhört, erkennt bei ihm noch das Idiom seiner Heimat. Aber er ist auch viel herum gekommen: Studium in Ulm, Harvard und München (nicht nur Medizin, auch Philosophie), Facharztausbildung in München und Freiburg, Schwerpunktausbildungen in Paris und Harvard. Seit 2000 ist er in Hannover.

An der Forschung reize ihn die "Möglichkeit, die Grenzen des Wissens immer weiter hinaus zu schieben und den Dingen auf den Grund zu gehen." Um sie zu unterstützen hat Klein die Stiftung "Care for rare" gegründet. Auch zahlungskräftige Eltern haben schon tief in die Tasche gegriffen und in Hannover eine Forschungsprofessur ausgelobt. Das ist auch nötig. Denn, so Klein, die 6000 bekannten Krankheiten durch einen Gen-Defekt seien vielleicht nur die Spitze des Eisberges.

www.care-for-rare.org

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