Prozess-Auftakt

Finanz-Hilfe für kommunale Kliniken auf dem Prüfstand

Ein Verfahren mit bundesweiter Bedeutung: Das Landgericht Tübingen klärt die Frage, ob Landkreise die Defizite kommunaler Kliniken ausgleichen dürfen. Geklagt haben die Privatkliniken.

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Sind Subventionen von kommunalen Kliniken durch die öffentliche Hand EU-rechtlich zulässig? Das müssen die Richter am Landgericht Tübingen klären.

Sind Subventionen von kommunalen Kliniken durch die öffentliche Hand EU-rechtlich zulässig? Das müssen die Richter am Landgericht Tübingen klären.

© Arne Trautmann/Panthermedia

TÜBINGEN. Vor dem Landgericht Tübingen beginnt am heutigen 20. November ein Prozess von grundlegender Bedeutung für die Kliniklandschaft in Deutschland. Auf dem Prüfstand steht die Frage, ob die öffentliche Hand Defizite kommunaler Kliniken ausgleichen darf.

Um dies zu klären, hat der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) beim Landgericht Tübingen Klage gegen den Landkreis Calw eingereicht.

Sie richtet sich gegen einen Beschluss des Landkreistags, bis 2016 das Defizit der Kreiskliniken Calw GmbH auszugleichen - 2012 immerhin sechs Millionen Euro für zwei Krankenhäuser in Calw und Nagold.

Nach Überzeugung der Privatkliniken sind dies EU-rechtlich unzulässige Subventionen. Zumindest müssten derartige Zuschüsse in Brüssel gemeldet und von der EU-Kommission genehmigt werden.

Die Kliniken in Calw und Nagold erfüllten "keine Krankenhaussonderaufgaben, die zusätzliche Subventionen aus Steuermitteln beihilferechtlich erlauben würden" so BDPK-Hauptgeschäftsführer Thomas Bublitz.

Vor dem EuGH würde Gefahr drohen

Der Interessenverband Kommunaler Krankenhäuser in Deutschland (IVKK) warnt vor erheblichen Gefahren, sollte der Streit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg landen. Er ist daher in die Gegenoffensive gegangen.

Mit einem Gutachten des Hannoveraner Staats- und Europarechtlers Volker Epping wollen die kommunalen Kliniken dem Tübinger Landgericht statt einer Vorlage nach Luxemburg eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht schmackhaft machen.

Nach dem Gutachten gehört eine ortsnahe Klinikversorgung zur Daseinsvorsorge. "Es besteht ein Anspruch der Bürger an den Staat", sagte der IVKK-Vorsitzende Bernhard Ziegler der "Ärzte Zeitung".

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfe dies nicht auf die EU-Ebene verlagert werden. Die Privatkliniken argumentierten mit einem Wettbewerbsrecht, "das für Automobilkonzerne oder Großbäckereien geschaffen wurde". Auch nach EU-Recht sei dies auf die Kliniken nicht anwendbar.

Umgekehrt stelle sich die Frage, ob das Grundgesetz gewinnorientierte Privatkliniken zulässt. "Sich in einem solidarischen System privat zu refinanzieren, das halten wir für fragwürdig", sagte Ziegler.

Landgericht entscheidet über den Rechtsweg

Welchen Weg die Klage nimmt, entscheidet zunächst das Landgericht Tübingen. Dies kann den Streit direkt dem EuGH oder eben auch dem Bundesverfassungsgericht vorlegen, muss aber beides nicht.

Nach dem Oberlandesgericht Stuttgart wäre erst der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe rechtlich verpflichtet, bei offenen europarechtlichen Fragen den EuGH anzurufen. Eine Verfassungsbeschwerde bliebe den Privatkliniken, sollten sie vor dem BGH unterliegen.

So wird es wohl noch Jahre dauern, bis es zu einem abschließenden Urteil kommt. Der Landkreis Calw will unterdessen versuchen, den Zuschussbedarf seiner Krankenhäuser in die Nähe von null zu bekommen.

In einem "mehrmonatigen Beteiligungsprozess" sind auch die Bürger aufgerufen, Ideen und Konzepte beizusteuern. Millionenschwere Defizite seien für den Kreis und seine Kommunen "auf Dauer finanziell nicht tragbar", erklärte Landrat Helmut Riegger (CDU).

Für den 21. November ist eine Bürgerversammlung geplant. (mwo)

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