Regress

Für Kasse gilt hopp oder topp

Will eine Kasse gegen einen Arzt einen Regress wegen unzulässiger Arzneiverordnung anstoßen, so kommt es bei der Beurteilung der Zulässigkeit nicht auf die Diagnose an, so das BSG.

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KASSEL. Im Streit um einen Regress für möglicherweise unzulässige Arzneiverordnungen gilt der Grundsatz hopp oder topp. Ein Ermessensspielraum für Zwischenlösungen besteht nicht, wie der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) entschied.

In der Verhandlung bekräftigten die Kasseler Richter aber den Schutz vor Regress, wenn sich Ärzte bei unsicherer Diagnose vertretbar einer Variante anschließen, die sich später dann als falsch herausstellt.

Im Streitfall hatte die Patientin zwei Kliniken besucht und mit jeweils unterschiedlicher Diagnose verlassen. Danach litt sie entweder unter einer chronisch idiopathisch demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) oder unter einem Guillain-Barré-Syndrom (GBS).

Beide entzündlichen Nervenkrankheiten liegen sehr eng beieinander. Die Ärzte der behandelnden Gemeinschaftspraxis verordneten der Frau Polyglobulin-Infusionslösungen. Diese waren im Behandlungszeitraum 2001 und 2002 für die Behandlung des GBS, nicht aber für die Behandlung der CIDP zugelassen.

Auf Antrag der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland setzte der Prüfungsausschuss einen Regress von rund 22.700 Euro fest. Der Beschwerdeausschuss hob den Regress auf, weil es letztlich keine Behandlungsalternative gegeben habe. Dagegen hielt das Landessozialgericht (LSG) Mainz den Regress im Grundsatz für gerechtfertigt.

Maßstab der Vertretbarkeit gilt

Denn nach Einschätzung eines Sachverständigen habe die Patientin unter der CIDP gelitten. Die Prüfgremien müssten aber bezüglich der Höhe ein Ermessen ausüben. Denn die Behandlung der CIDP mit Polyglobulin-Infusionslösungen sei damals immerhin umstritten gewesen und heute sogar zulässig.

Wie nun das BSG entschied, lässt das Gesetz für Ermessensentscheidungen und Zwischenlösungen aber keinen Raum. Eine Verordnung sei entweder zulässig oder nicht.

Während der mündlichen Verhandlung regten die Kasseler Richter dennoch gegenüber der AOK eine Rücknahme der Klage an. Denn im Gegensatz zur Auffassung des LSG komme es nicht darauf an, welche Krankheit die Patientin tatsächlich hatte. Vielmehr gelte der "Maßstab der Vertretbarkeit".

Entscheidend sei daher, ob die Gemeinschaftspraxis nach ihrem Erkenntnisstand am Tag der Verordnung "vertretbar" davon ausgehen durfte, dass die Patientin am GBS erkrankt war. Wenn ja, sei die Verordnung zulässig gewesen. Ob sich eine Diagnose-Einschätzung nachträglich als richtig erweist, spiele dagegen keine Rolle.

Zumindest während der Verhandlung in Kassel lehnte die AOK eine Rücknahme ihrer Klage ab. Daher soll nun das LSG Mainz die "Vertretbarkeit" der GBS-Diagnose prüfen. (mwo)

Urteil des Bundessozialgerichts, Az.: B 6 KA 2/13 R

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