Börse

Globale Krisen sind gute Zeiten für Schnäppchenjäger

Die Sorge vor einer weltweiten Rezession hat zu einem Einbruch an den Aktienmärkten geführt. Damit sind nun Papiere solide aufgestellter Firmen günstig geworden – und bieten Einstiegchancen für langfristige Investitionen.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Ein gefallener Engel: Die Aktie der Deutschen Post ist um mehr als 45 Prozent eingebrochen.

Ein gefallener Engel: Die Aktie der Deutschen Post ist um mehr als 45 Prozent eingebrochen.

© Daniel Kalker / dpa / picture al

Neu–Isenburg. André Kostolany, 1999 im Alter von 93 Jahren gestorben, hat 75 Jahre seines Lebens als erfolgreicher Börsenspekulant verbracht. In 13 Büchern hat der berühmte Investor Tipps für Privatanleger zu Papier gebracht. Ein Satz findet sich in fast jedem seiner Werke: „Die Börse reagiert zu zehn Prozent auf Fakten, zu 90 Prozent auf Psychologie.“

Steigen die Aktienkurse, so Kostolany, wolle die Masse der Investoren dabei sein. Fallen sie, versuchen die meisten ihre Papiere abzustoßen. Gier und Panik treibe das Börsengeschehen an. Doch wer erfolgreich investieren wolle, müsse sich von diesen beiden Gefühlen befreien.

Derzeit greift Panik an den Märkten um sich. Alle großen Indices sind in den vergangenen Monaten prozentual zweistellig gefallen – am stärksten der US-Technologieindex Nasdaq mit einem Minus von über 26 Prozent.

Kein Zusammenhang

Der Grund: Um hoher Inflation gegenzusteuern, heben die Notenbanken die Leitzinsen an. Investoren fürchten, dass dies in einer globalen Rezession münden wird, da Verbraucher bei steigenden Preisen und höheren (Kredit-)Zinsen weniger konsumieren können.

„Viele Anleger meinen, dass bei steigenden Zinsen Aktien zwangsläufig unter die Räder kommen“, sagt Stephan Albrech, Vorstand der Albrech & Cie. Vermögensverwaltung in Köln.

Doch ein Blick in die Börsenhistorie bestätigt dies nicht. „Ausgerechnet in der stärksten Inflationsphase seit dem Zweiten Weltkrieg, den 1970er-Jahren, zeigte sich kein Zusammenhang von Inflation und Aktien“, sagt Albrech. So stieg der S&P 500, der Index der 500 größten US-Konzerne, von Anfang 1975 bis Ende 1976 um 58 Prozent, während die Inflationsrate in diesen beiden Jahren 7,4 Prozent betrug.

Von 1978 bis 1980 legte der S&P 500 um durchschnittlich 10,9 Prozent pro Jahr zu, obwohl die Teuerungsrate mit durchschnittlich 10,7 Prozent noch höher war.

Wie heute, waren auch damals mit dem Anstieg der Inflation die Aktienkurse zunächst gefallen, hatten sich dann aber wieder kräftig erholt. Und: Auch damals waren exogene Ursachen Treiber der Teuerung. Die durch die Nahostkonflikte ausgelösten Ölkrisen von 1973 und 1978/79 trieben den Preis des schwarzen Goldes prozentual noch stärker in die Höhe als dies heute durch den Krieg in der Ukraine der Fall ist.

"Gefallene Engel"

Damals erkannten Schnäppchenjäger mit längerfristigem Anlagehorizont, dass einige Aktien mit dem zunächst erfolgten Kurseinbruch sehr günstig geworden waren – Werte, die im Börsenjargon „gefallene Engel“ heißen. Die gibt es auch jetzt wieder.

Ein Beispiel: die Deutsche Post. Deren Aktie ist um mehr als 45 Prozent eingebrochen und kostet nur noch das 8,6-Fache des für dieses Jahr erwarteten Gewinns. Hinter dem hohen Kursverlust steht die Angst, dass Konsumenten langfristig weniger im Internet einkaufen werden und die Post entsprechend weniger Pakete befördern wird.

Allerdings erwartet die Bundesbank für dieses Jahr durch die Inflation einen Kaufkraftverlust von 7,1 Prozent. Der Einbruch der Deutsche-Post-Aktie spiegelt jedoch einen Paketrückgang von fast 50 Prozent.

Die Mehrheit der Analysten hält die Aktie deshalb für unterbewertet. 18 Analysten haben das Papier deshalb mit „Kaufen“, zwei mit „Halten“ eingestuft. Eine Verkaufsempfehlung gibt es nicht.

Ein weiteres Beispiel ist Pfizer. Die Aktie kostet aktuell nur das 8,2-fache des diesjährigen Gewinns. Dabei übertraf der Pharmakonzern im ersten Quartal mit 1,62 Dollar Gewinn je Aktie die Schätzungen der Analysten um 15 Cent. Auch für dieses Papier gibt es derzeit keine Verkaufsempfehlung. Analysten raten vielmehr zum „Kauf“.

Gesundheit und Energie läuft gut

Noch günstiger ist das Papier von Vonovia. Die Aktie des größten Wohnungskonzerns Europas mit 565.000 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden ist so stark gefallen, dass das Papier nur noch das 6,2-fache des Jahresgewinns kostet – bei einer Dividendenrendite von 5,6 Prozent.

Zwar haben sich die Zinssätze für zehnjährige Immobilienfinanzierungen seit Jahresbeginn auf knapp drei Prozent verdreifacht – sind damit jedoch nicht höher als 2014. 13 Analysten haben die Aktie mit „Kaufen“ eingestuft, zwei mit „Halten“.

„Drei Sektoren des Aktienmarkts haben sich in den weltweiten Börsenabschwüngen der vergangenen 25 Jahre besonders gut geschlagen – Gesundheitsaktien, Technologie- und Energiewerte“, sagt Hermann Ecker, Investmentexperte bei der Bayerische Vermögen in Bad Reichenhall.

Viele Anleger meinen, dass bei steigenden Zinsen Aktien zwangsläufig unter die Räder kommen.

Stephan Albrech, Vorstand der Albrech Vermögensverwaltung in Köln

Die Kosten für Medikamente und Therapien seien auch in einer Rezession durch die Krankenkassen gedeckt. Und ebensowenig wie auf das Wohnen könnten Menschen auf Strom und Heizenergie verzichten.

Bei Technologieaktien sollten Anleger auf Cloud-Anbieter setzen, auf Unternehmen wie Apple und Microsoft, die Kunden die Möglichkeit bieten, große Datenmengen online auf externen Servern zu lagern und dort zu bearbeiten, rät David Older, Leiter Aktien beim Pariser Vermögensverwalter Carmignac.

„Nur zehn Prozent der IT-Ausgaben von Unternehmen sind in die Cloud verlagert worden; eine Zahl, die sich bis 2025 voraussichtlich verdreifachen wird.“

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