US-Wahl

Healthcare-Sektor mit Gewinnern und Verlierern

Das weitere Schicksal von Obamacare wird sich nach den Präsidentschaftswahlen in den USA entscheiden. Für Teile der einheimischen Healthcare-Branche könnten Einschnitte bevorstehen – unter Donald Trump wie auch unter Hillary Clinton.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Bild aus der Vergangenheit: Bei ihrem ersten TV-Duell begrüßten sich Trump und Clinton noch, beim zweiten schon nicht mehr.

Bild aus der Vergangenheit: Bei ihrem ersten TV-Duell begrüßten sich Trump und Clinton noch, beim zweiten schon nicht mehr.

© Andrew Gombert / EPA / dpa

WASHINGTON, D.C. Die am 8. November anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA sind eng verknüpft mit dem Thema Gesundheit – im Wahlkampf wie auch in der Gesundheitswirtschaft. Spätestens seit sich die demokratische Kandidatin Hillary Clinton aufgrund ihrer – inzwischen überstandenen – Pneumonie vehementen, öffentlich geäußerten Zweifeln des republikanischen Rivalen Donald Trump an ihrer gesundheitlichen Eignung für das Präsidentenamt ausgesetzt sah, rückt das Thema Gesundheit stärker in den Fokus und lenkt den Blick auf die gesundheitspolitischen Vorstellungen der Kandidaten.

Heftige Debatte um Rx-Medikamente

Je nach Wahlausgang und Durchsetzungsfähigkeit im Präsidialamt könnten Teile der Gesundheitswirtschaft profitieren, andere werden Rückschläge hinnehmen müssen. Wie der Finanzanalyst Klaus Niedermeier von der Deutschen Apotheker und Ärztebank (apoBank) hinweist, werde seit Clintons Ankündigung im vergangenen Herbst, etwas gegen ausufernde Preissteigerungen bei Medikamenten unternehmen zu wollen, viel über die Effizienz des amerikanischen Gesundheitssystems diskutiert – die USA geben rund 17 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Gesundheitsleistungen aus, Deutschland hingegen elf Prozent. Auch wenn rezeptpflichtige Arzneien nur zehn Prozent der Gesundheitsausgaben ausmachen, ist die Debatte aus Sicht vieler Patienten leicht nachvollziehbar, da sie die hohen Zuzahlungen im eigenen Portemonnaie spüren, so Niedermaier.

Im Fokus stünden insbesondere hochpreisige alte Medikamente. Sowohl Clinton als auch Trump plädieren dafür, die öffentliche Krankenversicherung Medicare zumindest teilweise zu ermächtigen, Medikamentenpreise direkt mit den Pharmaherstellern zu verhandeln, um so Rabatte herauszuschlagen. Beide Kandidaten stehen dafür, Medikamente aus anderen Ländern zu importieren, wobei sie andere Anforderungen an Zulassungs- und Produktionsstandards stellen. Auch dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Ausgaben für den Patienten zu reduzieren.

Grundlegende Differenzen

Großer Zankapfel zwischen beiden Kandidaten ist der als Obamacare bekannte Affordable Care Act. Das Gesetz hat seit Inkrafttreten 20 Millionen nicht versicherte US-Bürger in die öffentliche Krankenversicherung geholt, wie Präsident Barack Obama kürzlich im Journal of the American Medical Association Bilanz gezogen hat (wir berichteten). Nebeneffekt, so Niedermeier: Die Erhöhung der Fallzahlen hat auch zum Wachstum des Gesundheitssektors beigetragen.

Während Clinton die bisherige Gesetzgebung beibehalten und verbessern will, möchte Trump, wie viele andere Republikaner, Obamacare am liebsten rückgängig machen, da sie zu teuer sei. Über Steuervergünstigungen und Zuschüsse sollen sich seiner Ansicht nach Geringverdiener auch ohne Obamacare eine Krankenversicherung leisten können. "Obamacare ist eine totale Katastrophe", sagte Trump am 9. Oktober in seinem zweiten TV-Duell mit seiner demokratischen Konkurrentin.

Bereits Ende September nahm Clinton die Chance wahr, die ihr das New England Journal of Medicine (NEJM) gegeben hatte, und äußerte sich zu ihrer gesundheitspolitischen Agenda – Trump reagierte nicht auf die Offerte. "Wir stehen noch vor großen Herausforderungen", so Clinton im NEJM. Amerikaner drohten steigende Gesundheitskosten, die sie aus eigener Tasche zu berappen hätten. Zudem sei das Gesundheitswesen zu fragmentiert. "Wir müssen die Gesundheitsversorgung erschwinglich machen, sodass die Menschen Zugang zu der Versorgung bekommen, die sie brauchen. Wir müssen mehr tun, um Hürden niederzureißen und in den Gemeinden mehr Verteilungsgerechtigkeit in puncto Gesundheit erreichen", so Clinton im NEJM.

Senat und Kongress als Hürden

Finanzanalyst Niedermeier wählt bei der Betrachtung des Wahlkampfs und seine Auswirkung auf den US-Gesundheitsmarkt noch eine weitere Perspektive – die auf die Börsenwelt. "Neben der simplen Tatsache, dass Healthcare-Aktien den breiten Markt von 2011 bis 2015 in jedem einzelnen Jahr geschlagen haben und eine Underperformance damit beinahe überfällig war, haben insbesondere die Diskussionen um Medikamentenpreise und die damit verbundenen Unsicherheiten für die vergleichsweise schwache Entwicklung des Gesundheitssektors im bisherigen Jahresverlauf gesorgt", erläutert Niedermeier. Doch gelte es auch hier zu differenzieren. Denn die unterdurchschnittliche Entwicklung des US-Gesundheitssektors resultiere in erster Linie aus den Pharma- und Biotechaktien, während Medizintechnik und Healthcare-IT-Papiere deutlich zugelegt hätten.

Mit einem Rückblick auf die Vergangenheit gibt sich Niedermeier insgesamt positiv gestimmt: Denn der Gesundheitssektor geriet während der ersten Amtszeit Bill Clintons (1993-1997) schon einmal in den Fokus. Auch hier war seine Frau Hillary der eigentliche Auslöser, da sie als First Lady auch ohne offizielles Mandat massiven Einfluss auf Gesundheitspolitik und Presse nahm. "Damals wurde viel Staub aufgewirbelt, doch letzten Endes ging die Industrie gestärkt aus der Unsicherheit hervor, und viele Ideen aus der Zeit wurden schließlich im Affordable Care Act implementiert, der dem Sektor insgesamt zu mehr Wachstum verholfen hat", resümiert der Finanzexperte. Zudem gibt er zu bedenken, dass sich der nächste US-Präsident mit seiner Gesundheitspolitik erst einmal in Senat und Kongress durchsetzen muss.

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