Statistik für 2020

Hörgeräte: Für Patienten ein teures Vergnügen

Gut zu hören, ohne mit klobiger Technik am Ohr aufzufallen, lässt sich der Deutsche offenbar gerne etwas kosten: Die hohen Eigenanteile für Hörgeräte heben den Mehrkosten-Schnitt in der Hilfsmittelversorgung dramatisch.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
High-End am Ohr? Wer mehr wünscht als die Standardtechnik, muss tief in dieeigene Tasche greifen.

High-End am Ohr? Wer mehr wünscht als die Standardtechnik, muss tief in die eigene Tasche greifen.

© Alexander Raths / stock.adobe.

Berlin. Die Pandemie hat in der Hilfsmittelversorgung zu keiner dramatischen Erhöhung der Mehrkosten geführt, die gesetzlich Versicherte für Produktqualitäten und -funktionalitäten bestreiten müssen, die über das „medizinisch Notwendige“ hinausgehen. Wie aus dem inzwischen dritten „Mehrkostenbericht“ hervorgeht, den der GKV-Spitzenverband am Mittwoch veröffentlichte, blieb der Anteil der Selbstbeteiligung in der Hilfsmittelversorgung 2020 nahezu unverändert: Während im Vorjahr 20,04 Prozent aller Versorgungsfälle mit Aufzahlungen von Patientenseite einhergingen, betrug die Quote im jüngsten Berichtsjahr 20,17 Prozent.

Absolut entspricht das einem Mehrkostenvolumen aus 5,7 Millionen Fällen von rund 746 Millionen Euro (+7,8 Prozent). Zum Vergleich: Die Hilfsmittel-Gesamtausgaben der GKV kletterten mit +2,8 Prozent (auf 9,25 Milliarden Euro) deutlich langsamer.

Ohne Hörgeräte im Schnitt nur 47 Euro Mehrkosten pro Fall

Der Zuwachs der Selbstbeteiligung sei „im Wesentlichen auf die Mehrkosten der Produktgruppe 13 ‚Hörhilfen‘ zurückzuführen“, heißt es erläuternd in dem Report. So erhöhten sich 2020 die mittleren Mehrkosten je Fall in dieser Kategorie um 14 Prozent auf rund 1234,28 Euro. Umgelegt auf sämtliche Versorgungsfälle mit Mehrkosten hatte das eine Zunahme der durchschnittlichen Mehrkosten je Fall um 12 Prozent auf 131,90 Euro zur Konsequenz. Die Aufzahlungen für Hörhilfen herausgerechnet, wären die Mehrkosten je Fall lediglich um 4,4 Prozent auf 47 Euro gestiegen.

Denn zugleich stellen Hörhilfen nicht nur die hinsichtlich Eigenbeteiligung mit weitem Abstand teuerste Hilfsmittelkategorie dar, sondern nach Menge auch die am zweithäufigsten mit Eigenanteil in Anspruch genommene Leistung: In 52,06 Prozent aller Fälle einer Hörhilfe-Verordnung zahlten Patienten 2020 aus eigener Tasche zu (Vorjahr: 52,36 Prozent). Nur Rezepte auf orthopädische Einlagen ziehen mit zuletzt 52,84 Prozent aller Fälle (Vorjahr: 52,91 Prozent) noch häufiger Mehrkosten nach sich. An dritter Stelle der häufigsten Hilfsmittel-Eigenbeteiligungen rangieren Brustprothesen (50,71 Prozent aller Fälle), die – ebenso wie orthopädische Einlagen – jedoch im Schnitt kaum 50 Euro erreichen.

Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes: „Der dritte Mehrkostenbericht kommt erneut zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent der gesetzlich Versicherten ihre Hilfsmittel mehrkostenfrei erhalten. Damit zeigt sich eine Tendenz, die durchaus positiv zu bewerten ist.“

Motivation nicht immer eindeutig

Die Datenerhebung liefere jedoch keine Erkenntnisse, „weshalb sich Versicherte für ein Hilfsmittel mit Mehrkosten entscheiden“, heißt es weiter. Verbandsvize Kiefer vermutet, dass nicht zuletzt „interessengeleitete Beratung“ der Anbieter die Nachfrage nach aufzahlungslastigen Produkten ankurbelt.

Umgekehrt hatten Branchenverbände der Hilfsmittelindustrie in der Vergangenheit wiederholt auch die Kassen für Mehrkosten verantwortlich gemacht, indem Rabattvereinbarungen geschlossen würden, die mit Produktwechseln zu Lasten der Patienten einhergingen. Seit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes 2019 sind Ausschreibungen für Hilfsmittel sozialrechtlich jedoch nicht mehr zulässig.

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