Intensivpflege: PKV muss zahlen

Soll eine verordnete Intensivpflege gesundheitliche Schäden verhindern, zählt sie als Heilbehandlung. Privatversicherer können sich dann nicht gegen die Kosten wehren.

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KÖLN (iss). Eine ärztlich verordnete häusliche Intensivpflege ist auch dann eine Heilbehandlung, wenn sie dazu dient, die Verschlimmerung einer Erkrankung zu verhindern.

Der private Krankenversicherer kann dazu verpflichtet werden, für die Leistung vorab eine Kostenzusage zu erteilen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Im verhandelten Fall wurde ein Patient wegen eines hypoxischen Hirnschadens zu Hause gepflegt. Der behandelnde Arzt diagnostizierte eine chronische obstruktive Bronchitis und schwere Dysphagie und verordnete für die Nacht eine häusliche medizinische Intensivpflege.

Nach vier Monaten erweiterte er die Verordnung auf eine 24-Stunden-Pflege. Die ständige intensivmedizinische Beobachtung war notwendig, weil die extrem starke Schleimproduktion zu einer lebensbedrohlichen Situation führen könnte.

Der private Krankenversicherer des beihilfeberechtigten Mannes weigerte sich, zu zahlen. Nach den Versicherungsbedingungen seien nur ärztliche Leistungen erstattungsfähig, die in der Gebührenordnung für Ärzte aufgeführt sind.

Versicherung muss zunächst zahlen

Das OLG verpflichtete den Versicherer, dem Kunden bis zur gerichtlichen Klärung der Grundsatzfrage eine Kostenübernahmeerklärung zu geben. Ein solcher Schritt sei in Ausnahmefällen möglich, um schwerwiegende Nachteile oder Schäden für Gesundheit, Leib und Leben abzuwenden.

Die Intensivpflege diene der Verhinderung des Erstickens, so die Richter. "Der Charakter der verordneten Intensivpflege als eine Heilbehandlung kann deshalb nicht zweifelhaft sein."

Dem stehe nicht entgegen, dass die Leistungen von einer Krankenschwester erbracht werden. Die Einschränkung in den Versicherungsbedingungen halte der Überprüfung nicht stand.

"Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Krankheitskostenversicherung bezweckt in erster Linie eine Abdeckung des Kostenrisikos, welche durch die notwendige Behandlung von Krankheiten entsteht."

Az.: I-20 W 29/11

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.07.201211:36 Uhr

Glücklose PR in der PKV?

''Public Relations'' sind für die Privaten Krankenversicherer (PKV) und ihren Bundesverband verwirrend und überfordernd. Anders kann man das rapide sinkende Ansehen nicht erklären, für das ihr glückloser Direktor Dr. Volker Leienbach und PKV-Verbandsvorstand Reinold Schulte, Vorstandsvorsitzender von SIGNAL und DEUTSCHER RING, in der Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich zeichnen.

Denn das Oberlandesgericht Hamm musste erst auf dem Weg des Erlasses einer einstweiligen Verfügung bereits im letzten Jahr, am 11.10.2011, unter Az.: I-20 W 29/11 klarstellen, dass einem PKV-versicherten Patienten, der vital auf eine Betreuung rund um die Uhr angewiesen war um nicht zu ersticken, zumindest vorläufig die Behandlungskosten zu erstatten sind.

Denn seine PKV wollte bei ihrem Versicherten mit dem hypoxischen Hirnschaden lieber ''auf Zeit'' spielen und den langwierigen Klageweg abwarten. Dem hatte das OLG Hamm im Eilverfahren einen Riegel vorgeschoben: Der Versicherte war überlebensnotwendig dringend auf die betreffende Behandlung angewiesen und konnte nachweisen, dass er die Behandlung nicht selbst finanzieren konnte.

Wenn das keine Negativ-PR ist?
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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