Vorstoß aus Niedersachsen

Kinderschutz: Fallanalysen sollen helfen, aus Behördenfehlern zu lernen

Das Land Niedersachsen möchte Fallanalysen als Instrument in der Kinder- und Jugendhilfe etablieren. Dies soll es Fachleuten erleichtern, Fehler von Behörden beim Kinderschutz besser aufzuarbeiten.

Veröffentlicht:

Berlin/Hannover. Die niedersächsische Landesregierung schlägt vor, sogenannte Fallanalysen als Instrument zu etablieren, um den Kinderschutz zu verbessern. Gemeint sind damit Fälle, bei denen beispielsweise Familien bereits im Kontakt mit der Kinder- und Jugendhilfe standen und es dennoch zu massiven Beeinträchtigungen des Kindeswohls gekommen ist – bis hin zu Tötungsdelikten.

Um aus „problematischen Kinderschutzverläufen lernen zu können“, sollte eine gesetzliche Grundlage im Sozialgesetzbuch VIII geschaffen werden, heißt es im Vorschlag für eine Entschließung des Bundesrats, den das Land Niedersachsen eingebracht hat. Fallanalysen, die bestimmten Fachstandards genügen, haben Experten auch im Abschlussbericht der sogenannten Lügde-Kommission als Instrument empfohlen.

Dieser Kommissionsbericht vom Dezember 2020 nimmt Bezug auf den besonders schweren Fall jahrelangen sexuellen Missbrauchs zahlreicher Kinder auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde – im Zentrum stand dabei ein Mädchen aus Niedersachsen. Das zuständige Jugendamt hatte das Mädchen einem Mann zur Betreuung überlassen, der sich später als der Haupttäter herausstellte.

Ethikkommission sollte prüfen, ob eine Fallanalyse gestattet wird

Die Analyse fehlgeschlagener Kinderschutzverläufe durch externe Wissenschaftler sei davon abhängig, dass das jeweilige Jugendamt einer Datenübermittlung auch ohne die Einwilligung der Betroffenen zustimmt. Hierzu müssten gesetzlich entsprechende Ausnahmevorschriften geschaffen werden.

Einer Fallanalyse sollte zudem die unabhängige Prüfung durch eine Ethikkommission vorgeschaltet sein. Dort müsse abgewogen werden, ob die Veröffentlichung des Falls Vorrang haben soll vor der Geheimhaltung der sensiblen Sozialdaten. Schließlich sollte der Gesetzgeber eine Aufgabenbeschreibung vornehmen, in der Standards für Fallanalysen festgelegt werden, heißt es im Vorschlag Niedersachsens. Im nächsten Schritt werden die Fachausschüsse des Bundesrats sich mit dem Vorschlag beschäftigen.

In Nordrhein-Westfalen war als Konsequenz aus dem Behördenversagen im Fall Lügde im Juli 2019 das Kompetenzzentrum Kinderschutz im Gesundheitswesen NRW (KKG) in Köln geschaffen worden. Es hat die Aufgabe, Ärzte und alle weiteren Akteure im Gesundheitswesen bei Fragen rund um das Thema des medizinischen Kinderschutzes zu beraten. (fst)

Mehr zum Thema

Glosse

Die Duftmarke: Frühlingserwachen

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Arzt im Gespräch mit Patientin

© Ground Picture / shutterstock

STIKO-Empfehlungen

Handlungsbedarf bei Grippeschutz für Chroniker

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen