Defizitäre Häuser, zu wenig Personal

Kliniklobby schlägt Alarm

Bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft schrillen die Alarmglocken: Aktuell seien über 22.000 Pflegestellen in Kliniken unbesetzt – dreimal so viele wie noch 2016. Auch die Erlössituation der Häuser habe sich wegen Corona verschlechtert – trotz staatlicher Hilfen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Vier von fünf deutschen Kliniken haben Probleme, offene Pflegestellen auf ihren Allgemein- und Intensivstationen zu besetzen, berichtet die DKG.

Vier von fünf deutschen Kliniken haben Probleme, offene Pflegestellen auf ihren Allgemein- und Intensivstationen zu besetzen, berichtet die DKG.

© Fabian Strauch/ dpa

Berlin. Die Krankenhauslobby hat die neue Bundesregierung zu Maßnahmen im Kampf gegen den Pflegepersonalmangel aufgerufen. Der Mangel an Pflegefachkräften sei das „drängendste Problem“ der Gesundheitspolitik, es gehöre daher „ganz oben auf die politische Tagesordnung“, adressierte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, am Montag an die Ampel-Koalitionäre.

Gaß verwies auf Zahlen aus dem aktuellen Krankenhaus-Barometer 2021 des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Demnach haben vier von fünf Krankenhäuser Schwierigkeiten, offene Pflegestellen sowohl auf Allgemein- als auch auf Intensivstationen zu besetzen.

Lesen sie auch

Vier von fünf Häusern mit Personalproblemen

Bundesweit sind der Befragung zufolge rund 22.300 Pflegestellen vakant. Damit habe sich diese Zahl seit 2016 verdreifacht, zeigte sich die DKG alarmiert. Auch die Zukunftsaussichten sind laut Umfrage alles andere als rosig. So geht jedes zweite Krankenhaus davon aus, dass sich die Personalsituation in der Pflege in den kommenden drei Jahren verschlechtert.

Die Ergebnisse des Krankenhaus-Barometers 2021 beruhen auf der Befragung stichprobenartig ausgewählter Allgemeinkrankenhäuser ab einer Größe von 100 Betten. Insgesamt beteiligten sich 291 Kliniken.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Gaß betonte, ein probates Mittel, um die Personalprobleme in der Klinikpflege nachhaltig zu lösen, sei das von der Gewerkschaft Verdi, dem Deutschem Pflegerat und der DKG erarbeitete Instrument zur Pflegepersonalbedarfsmessung, kurz PPR 2.0 genannt. Das Konzept finde sich auch im Koalitionsvertrag der Ampel wieder. Umso mehr erwarteten die Kliniken, dass der Vorschlag „kurzfristig“ umgesetzt werde, sagte der DKG-Chef.

Gaß: Ampel muss Finanzreform zügig angehen

Handlungsbedarf macht die Kliniklobby auch mit Blick auf die Finanzierung der Krankenhäuser aus. 60 Prozent der Häuser rechnen laut DKI-Umfrage damit, dass sie das laufende Jahr mit roten Zahlen abschließen werden – das seien doppelt so viele wie im Jahr 2020, hieß es.

Aktuell stufen laut Umfrage nur elf Prozent der Kliniken ihre wirtschaftliche Situation als gut ein. Für das nächste Jahr erwarten lediglich 22 Prozent der Häuser, dass sich ihre Lage verbessert.

Als Grund für die wirtschaftlichen Probleme nennen die Häuser Belegungsrückgänge infolge der Corona-Pandemie und damit einhergehende Einschränkungen im Regelbetrieb. Zum Befragungszeitpunkt Ende Mai bis Ende Juli 2021 beklagte jedes zweite Krankenhaus eine geringere Auslastung als im Vorjahr.

„Angesichts der dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie war es richtig, dass die Bundesregierung noch vor Weihnachten gehandelt und die Ausgleichszahlungen bis in den März 2022 verlängert sowie einen Ganzjahresausgleich eingeführt hat“, sagte DKG-Chef Gaß.

Problematisch bleibe aber, dass bei den Ausgleichszahlungen psychiatrische Kliniken außen vor blieben und der Ganzjahresausgleich die Erlösverluste nicht umfassend abdecke. Die Umsetzung der von der Koalition angekündigten Finanzierungsreform dulde daher keinen Aufschub, so Gaß.

Lesen sie auch

Regierungskommission soll Lösungsvorschläge bringen

SPD, Grüne und FDP wollen in einer Regierungskommission Empfehlungen für eine Krankenhausreform erarbeiten. Darin enthalten sein soll eine „Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung“.

Ziel ist es, die Klinik-Fallpauschalen (DRG) um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen zu ergänzen.

Auf diese Weise soll unter anderem eine auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe sichergestellt werden. Zuletzt hatten auch Deutschlands Klinikärzte auf Änderungen am DRG-System gedrungen. (hom)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Entlassmanagement

Wenn die Klinik Faxe in die Praxis schickt

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!