Wochenblister

Körber gibt auf

Fehlende Rahmenbedingungen, keine Rückendeckung aus der Politik - den Verblisterern fehlt die Perspektive. Jetzt hat sich erneut ein Anbieter von Wochenblistern vom Markt zurückgezogen.

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Wochenblister eines anderen Anbieters.

Wochenblister eines anderen Anbieters.

© Berz

HAMBURG. Gut zwei Jahre, nachdem sich Kohlpharma von der industriellen Wochenblister-Produktion verabschiedet hat, wirft nun auch der Hamburger Maschinenhersteller Körber das Handtuch.

Körber war 2008 mit seiner eigens zu diesem Zweck gegründeten Tochter Avidiamed in den Markt eingestiegen. Unter dem Namen "Medifalter" wurde ein Wochenblister vorgestellt, bei dem jede Tablette einzeln verpackt war.

Diese sogenannte "Single-Unit-Dose" bildete das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zum Blister-Pionier Kohlpharma und dessen 7x4-Box.

Wie die auf Pharma-Verpackungstechnik spezialisierte Körber-Gruppe am Donnerstag mitteilte, wird sie sich aus dem Geschäftsbereich Pharma Services ganz zurückziehen.

Zu der Sparte gehört außer Avidiamed auch deren Produktionsbetrieb Weimer Pharma GmbH, ursprünglich ein pharmazeutischer Lohnhersteller, den Körber 2009 übernommen hatte.

Wie Avidiamed-Geschäftsführer Thomas Grözinger erklärt, will man jetzt versuchen, einen Käufer für den Betrieb zu finden. Gelinge dies nicht, würden beide Geschäftseinheiten geschlossen.

Dann seien auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Den 20 betroffenen Mitarbeitern sollen aber nach Möglichkeit andere Stellen im Körber-Konzern angeboten werden, so Grözinger.

Begründet wird die Geschäftsaufgabe mit den fehlenden "gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen für einen deutschlandweiten Einsatz" des Medifalters.

Gemeint ist damit die von sämtlichen Anbietern patientenindividueller Blistersysteme immer wieder geforderte Aufnahme dieser Dienstleistung in die Regelversorgung mittels GKV-einheitlicher Vergütung.

Keine wirtschaftliche Perspektive

Zuletzt setzte die Branche ihre Hoffnungen auf die Pflegereform. Doch das passierte die Gesetzgebung, ohne dass sich in Sachen Verblisterung etwas tat.

Nach wie vor gibt es daher nur die Möglichkeit, die Verblisterung einzelvertraglich mit Heimen oder Krankenkassen aufzusetzen. Dabei blieben Projekte zur ambulanten Versorgung bislang auf Versuche mit einzelnen Kassen beschränkt.

Freilich bildet erst die ambulante Versorgung in überregionaler Perspektive das Marktpotenzial für die auf große Produktionsmengen und anspruchsvolle Logistik ausgelegten Blistersysteme von 7x4 und Avidiamed.

In Pflegeheimen ist die Verblisterung dagegen schon weiter verbreitet. Für den dortigen Bedarf ist ein eigener Wochenblister jedoch viel zu aufwändig.

Für Heime verblistern meist regional recht eng fokussierte, apothekereigene Blisterzentren, die sich der vergleichsweise einfachen Technologie der Medikations-Verpackung in Schlauchbeuteln bedienen.

Die meist langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit den Krankenkassen zur Implementierung ambulanter Versorgungsprojekte hatte bereits Kohlpharma bewogen, das Geschäftsmodell "Industrieller Wochenblister" auf Eis zu legen.

Analog äußerte sich jetzt auch Körber. Ärzte, Apotheker, Kassen und Patienten hätten durchweg positive Rückmeldungen zur Verblisterung gegeben. Man sehe jedoch keine Chance, in absehbarer Zeit in die Fläche und damit zu einer wirtschaftlichen Perspektive zu kommen, erläuterte Avidiamed-Chef Grözinger.

Trotz Abwicklung werde Avidiamed bestehende Verpflichtungen gegenüber Patienten noch bis Ende Juni dieses Jahres erfüllen, heißt es. Daann endet auch offiziell ein ambulantes Blisterprojekt in Kooperation mit der AOK Hessen, an dem etwas mehr als 100 Patienten teilnehmen. (cw)

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