Modellprojekt an der Uni

Lust aufs Leben als Landarzt wecken

Schon in den ersten Monaten an der Uni Marburg werden Studenten in Hausarztpraxen geschleust, um die Vielseitigkeit der Allgemeinmedizin kennenzulernen. Vor allem auf dem Land.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Mentor Stefan Weiershausen aus Stadtallendorf mit der Medizinstudentin Lisa Thorfah.

Mentor Stefan Weiershausen aus Stadtallendorf mit der Medizinstudentin Lisa Thorfah.

© Gesa Coordes

MARBURG. Die Zahlen sind alarmierend. Allein in Hessen werden in zehn Jahren mindestens 1500 Hausärzte fehlen, vor allem im Norden und in der Mitte des Landes.

Die Uni-Klinik Marburg hat deshalb ein bundesweit einmaliges Modellprojekt gestartet, um Studenten früh für den Beruf des Allgemeinarztes zu gewinnen. Schon ab dem ersten Semester bereiten sich jeweils ein Dutzend angehende Mediziner mit Seminaren und Praxisbesuchen auf eine Zukunft als Landarzt vor.

Das Besondere: Die Studenten haben von Anfang an Kontakt zu Patienten und arbeiten regelmäßig bei einem erfahrenen Arzt in einer Praxis in einem unterversorgten Gebiet in Nord- und Mittelhessen mit.

Medizinstudent Martin Henrich zum Beispiel ist einer Gemeinschaftspraxis in Waldeck zugeordnet, wo er die Ärzte bei Besuchen im Altenheim, in der Sprechstunde, beim Blut abnehmen und bei Untersuchungen unterstützt: "Das ist ganz anders als das Studium, das sehr theoretisch ist", sagt der 23-Jährige.

Prägung durch die Praxis

Auch die 21-jährige Lisa Thorfah ist begeistert von ihren ersten Besuchen in einer Hausarztpraxis in Stadtallendorf. Ihr Mentor Stefan Weiershausen weiß gut, dass der Hausarztmangel "nicht nur ein Phänomen des platten Landes" ist. Ein Jahr lang hat seine Gemeinschaftspraxis vergeblich nach einem Arzt in Weiterbildung gesucht. Eine Kollegin musste ihre Praxis ohne Nachfolger schließen.

Weiershausen macht es Freude, mit den Studenten zu arbeiten. Doch normalerweise kommen sie erst kurz vor Abschluss ihres Studiums. Dann sei es meist zu spät, sie noch von der Vielseitigkeit des Hausarztberufs zu überzeugen: "Einen Studenten zu begleiten, der noch am Anfang des Studiums steht, ist eine besondere Chance", sagt der Hausarzt.

Deshalb startet das so genannte "Schwerpunktcurriculum Primärversorgung" der Philipps-Universität bereits im ersten Semester: "Am Anfang des Studiums gibt es ein breites Interesse, aber dann werden die Studierenden von den Unikliniken geprägt", sagt Privatdozent Stefan Bösner, der das Pilotprojekt leitet.

Dabei sei die Allgemeinmedizin ein "schönes, interessantes Fach". Derzeit entscheidet sich allerdings nur jeder zehnte Studienabsolvent für eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Man bräuchte aber mindestens 50 Prozent, erklärt er.

Für das Modellprojekt kooperiert die Universität mit Landarztpraxen in Nord- und Mittelhessen - von Korbach und Erndtebrück über Battenberg, Sterzhausen, Lohra und den Ebsdorfergrund bis nach Wettenberg, Bicken, Kirtorf und Braunfels.

Dort erleben sie das soziale Umfeld der Patienten, üben Anamnesegespräche und werden auf Hausbesuche mitgenommen. Sie machen eine Famulatur in einer Hausarztpraxis - möglichst auch im Ausland, um ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen. Dazu kommen Wochenendseminare, Diskussionen und zusätzliche Lehrveranstaltungen.

Motivation fürs Studium

"Die Rückmeldungen der Studierenden sind super", berichtet Bösner, der sieben Jahre im Sudan gearbeitet hat und Träger des hessischen Exzellenzpreises für die Lehre ist. "Da weiß man wieder, warum man das Fach studiert", erzählt Sandra Ende von ihren Praxisbesuchen in Sterzhausen. Anders als in der Klinik kann sie auch die Krankheitsgeschichte eines Menschen verfolgen.

Aber auch die beteiligten Landärzte sind zufrieden. So hat Amir Baalbaki aus Altenvers schon in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit einer Studentin gemacht, die ab dem ersten Semester kam und heute als Hilfskraft in der Praxis arbeitet. Baalbaki: "Je früher sie erfahren, wie spannend das Fach ist, um so besser."

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