Aktion pro Corona-Bonus

MFA streiken, ihre Chefinnen legen sich für sie ins Zeug

Ein zusammen mit dem Arbeitgeber organisierter Streik – das gibt es auch nicht alle Tage. Ein Praxisteam aus Braunschweig hat es umgesetzt, die Ärztinnen gerieten bei der Aktion zugunsten von Corona-Boni für ihre MFA kräftig ins Schwitzen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Mit ganz unterschiedlichen Aktionen versuchen MFA, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Hier im Bild die Protestaktion des Verbands medizinischer Fachberufe am vergangenen Mittwoch in Berlin. In vielen Praxen solidarisieren sich aber auch die Ärztinnen und Ärzte mit ihren Fachangestellten.

Mit ganz unterschiedlichen Aktionen versuchen MFA, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Hier im Bild die Protestaktion des Verbands medizinischer Fachberufe am vergangenen Mittwoch in Berlin. In vielen Praxen solidarisieren sich aber auch die Ärztinnen und Ärzte mit ihren Fachangestellten.

© Verband medizinischer Fachberufe

Braunschweig. Hausärztin Dr. Ilka Aden und zwei ihrer drei Kolleginnen hatten am 12. Januar einen ungewöhnlichen Arbeitstag – einen Tag in den Schuhen ihrer MFA, gedacht als Protestaktion gegen den Beschluss der Bundesregierung, den MFA keine Corona-Boni zukommen zu lassen.

Die drei Ärztinnen haben in ihrer Praxis in Braunschweig kurzerhand für einen Tag den Job ihrer Medizinischen Fachangestellten übernommen. Eine Ärztin arbeitete an der Anmeldung, eine zweite im Labor und nur eine behandelte die Patienten. Die sieben MFA der Praxis indessen machten frei.

Überall in der Praxis hingen Plakate, die die Aktion erklärten. Sie sollte zeigen, wie die hausärztliche Versorgung ohne Medizinische Fachangestellte laufen würde: sehr langsam. Und: wie enttäuscht sie sind, dass die Bundesregierung die besondere Beanspruchung der MFA in Zeiten von Corona nicht mit einem Zuschuss honorieren wollte. In der Tat staute sich die Schlange der wartenden Patienten am Mittwoch denn auch bis auf die Straße.

„Zu wenig Wertschätzung für die Arbeit“

„Unsere MFA erleben gerade in dieser Zeit viel zu wenig Wertschätzung für ihre Arbeit“, sagt Aden der „Ärzte Zeitung“. „Dabei haben sie die Hauptlast der Verwaltung der ambulanten Corona-Erkrankungen zu tragen“, sagt Aden. Zum Beispiel die immer wieder neuen Abrechnungsziffern für die verschiedenen Abstriche.

Hinzu kämen die Beanspruchungen durch das Impfen und die ohnedies gereizten Patientinnen und Patienten. Die MFA haben immer öfter mit Erniedrigungen und Beleidigungen zu kämpfen, berichtet Aden. Mehrfach musste sie aus dem Behandlungszimmer zur Anmeldung gehen und Patienten der Praxis verweisen.

Sie haben lange Abende mit ihren MFA verbracht, um die Abläufe zu verbessern und auch um zu trösten. „Denn oft gab es Tränen. Die Kolleginnen sind einfach extrem ausgebrannt und arbeiten bereits seit 2019 am Limit“, sagt Aden. Kein Wunder, dass manche MFA mit der Entscheidung ringe, den Beruf zu verlassen.

Laborröllchen beschriften – gar nicht so einfach!

Während der Aktion mussten auch die Ärztinnen Neues lernen. Zum Beispiel, die Laborröllchen über das Softwaresystem zu beschriften, Termine zu jonglieren oder den Lungenfunktionstest zu machen. „Ich kann die Lungenfunktion befunden“, sagt Aden, aber seit der Lungenfunktionstest erneuert wurde, weiß ich nicht mehr, wie man ihn macht.“

Oder was für ein Belastungs-EKG zu tun ist, oder wie man den technischen Support für die TI organisiert. „Uns sind diese Leistungen zwar bewusst. Aber unseren Patientinnen und Patienten nicht“, sagt Aden.

Viel Zuspruch auf Social Media

Die Reaktionen der Patientinnen und Patienten waren im Großen und Ganzen positiv, berichtet Aden der „Ärzte Zeitung“. Allerdings gab es auch Kritiker. „Ein Patient hat unsere Praxis verärgert verlassen.“

Die Aktion habe gut geklappt. Auch in den Sozialen Medien haben die MFA und die Protestaktion viel Zuspruch erhalten. „Wir wollten ein Zeichen setzen, ein Exempel statuieren. Und das ist uns gelungen“, so Aden.

Soll der Tausch wiederholt werden? Aden: „Mal sehen, wie zuvorkommend unsere Medizinischen Fachangestellten zukünftig behandelt werden.“

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