Methadon-Tod in Hamburg - KV zieht vor Gericht

Der Tod der elfjährigen Chantal in Hamburg zieht eine Debatte über die Vergabe von Methadon nach sich. Nachdem die substituierenden Ärzte scharf gegen die KV gepoltert hatten, zieht die jetzt vor Gericht.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Trauer um Chantal: Der Fall hat zu einem Zerwürfnis zwischen KV und DSÄ geführt.

Trauer um Chantal: Der Fall hat zu einem Zerwürfnis zwischen KV und DSÄ geführt.

© Marcus Brandt / dpa

BERLIN. Die Praxis der Methadonabgabe in Hamburg beschäftigt nun die Gerichte.

Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg hat der "Ärzte Zeitung" mitgeteilt, dass sie vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Generalsekretär des Dachverbandes substituierender Ärzte Deutschlands (DSÄ) beantragt hat.

Der Verband hat sich hinter seinen Funktionär gestellt und wehrt sich gegen den Versuch, ihm einen "Maulkorb" umzuhängen.

Dr. Ingo Rempel hatte am 18. Mai in einer Pressemitteilung die "laxe Weitergabe von Methadon und anderen Drogenersatzstoffen im Rahmen einer Substitutionstherapie" als Skandal bezeichnet.

Es komme nicht von ungefähr, dass in Hamburg die meisten Methadon-Toten Deutschlands registriert würden. Im Januar war in der Hansestadt die elfjährige Chantal an einer Methadonvergiftung gestorben.

Vorwurf des Rechtsbruchs

Der Stoff war in der Wohnung ihrer drogenabhängigen Pflegeeltern für das Kind zugänglich aufbewahrt worden.

Auf diesen konkreten Vorfall ging auch die DSÄ-Mitteilung ein: Da der Ersatzstoff missbräuchlich wie eine Droge verwendet werde, dürfe er nur unter strengen gesetzlichen Bestimmungen verabreicht werden.

Wörtlich schrieb Rempel: "Diese Gesetze werden in Hamburg seit Jahrzehnten gebrochen. KV, Behörden und Senat wissen das."

Die KVHH hatte daraufhin von Rempel verlangt, diese Behauptung bis zum 31. Mai entweder zurückzunehmen oder sie nachprüfbar zu belegen. Nachdem die Frist verstrichen war, habe man die einstweilige Verfügung beantragt, teilte die KVHH auf Anfrage mit

Bauernopfer Jugendamt?

Der DSÄ sieht dagegen die KVHH in der Pflicht, sich zu rechtfertigen. "Wenn jemand an Methadon stirbt, hat die Kassenärztliche Vereinigung eine Nachforschungspflicht", teilt der 1. Vorsitzende des DSÄ, Dr. Wilhelm Siepe, mit.

Stattdessen suche die KVHH die "Bauernopfer" im Jugendamt. Das Jugendamt sei jedoch nicht für die Arzneimittelsicherheit zuständig, sagt Siepe.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt wegen des Todes der kleinen Chantal laut Medienberichten gegen fünf Mitarbeiter des Jugendamtes, die Pflegeeltern selbst sowie gegen den Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE).

Das zuständige Hamburger Bezirksamt hat die Zusammenarbeit mit dem freien Träger inzwischen gekündigt. Dessen Mitarbeiter hatten die Familie, in der Chantal lebte, betreut.

Mehr zum Thema

Medizinforschungsgesetz

Regierung: Ethikkommission beim Bund bleibt unabhängig

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was steckt hinter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom, Dr. Jürgens?

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken