Haftpflichtversicherung

Nach EuGH-Urteil bleibt wenig Hoffnung auf Schadenersatz für Brustimplantate

Frauen in Deutschland erhalten keinen Schadenersatz für mangelhafte PIP-Brustimplantate. Der französische Versicherer des Unternehmens muss nicht zahlen.

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Ein defektes Silikonkissen der französischen Brustimplantate-Firma Poly Implant Prothese (PIP) nach der Entfernung aus der Brust einer Patientin zu sehen. (Archivbild)

Ein defektes Silikonkissen der französischen Brustimplantate-Firma Poly Implant Prothese (PIP) nach der Entfernung aus der Brust einer Patientin zu sehen. (Archivbild)

© Bruno Bebert/EPA/dpa

Luxemburg. Deutschen Patientinnen steht wegen erhaltener mangelhafter Brustimplantate des französischen Herstellers PIP vom Haftpflichtversicherer keine Entschädigung zu. Denn EU-Recht schreibt nicht vor, dass für Medizinprodukte eine Haftpflichtversicherung für die ganze EU und damit auch für Deutschland abgeschlossen werden muss, urteilte am Donnerstag die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg. Zulässig sei, dass nach den nationalen Regeln eines EU-Staates die Haftung auf ein Land – hier Frankreich – beschränkt wird.

Die Brustimplantate des insolventen französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) wurden weltweit zehntausendfach verkauft, viele davon platzten. 2012 empfahl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den rund 6000 in Deutschland betroffenen Frauen, PIP-Implantate wieder entfernen zu lassen. Dem kam im Streitfall auch die Klägerin nach.

Haftpflichtversicherung nicht vorgeschrieben

Vom TÜV Rheinland, der das Herstellungsverfahren des Unternehmens zertifiziert hatte, sowie von dem französischen Haftpflichtversicherer von PIP verlangte sie Schadenersatz. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main legte das Verfahren dem EuGH vor. Die Richter wollten wissen, ob es eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, dass der Haftpflichtversicherer, eine französische Tochter des Allianz-Konzerns, in den Versicherungsbedingungen die Haftung allein auf Frankreich beschränkte. In Deutschland ist eine Haftpflichtversicherung für Medizinprodukte nicht vorgeschrieben.

Der EuGH urteilte, dass EU-Recht nicht anwendbar sei. Es gebe keine EU-Bestimmung, „die einen Hersteller von Medizinprodukten dazu verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zur Deckung von Risiken abzuschließen, die mit Medizinprodukten verbunden sind, oder die eine solche Versicherung regelt“.

Die Klägerin sei auch nicht in ihrem Recht auf EU-Freizügigkeit verletzt worden. Auch das Recht auf freien Dienstleistungs- und Warenverkehr sei nicht anwendbar. Über den Fall muss nun das OLG Frankfurt weiter entscheiden.

Nur noch wenig Hoffnung auf Schadenersatz

Betroffene Frauen in Deutschland können sich damit nur noch wenig Hoffnung auf Schadenersatz machen. Operierende Ärzte müssen nach einem Urteil des OLG Karlsruhe auch nicht haften, da sie von den mangelhaften Implantaten nichts wussten. (Az.: 7 U 241/14, Urteil vom 20. April 2016).

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. Februar 2020 gibt es für Frauen noch einen Hoffnungsschimmer für Entschädigungszahlungen vom TÜV-Rheinland (Az.: VII ZR 151/18). Danach könnte ein Schadenersatzanspruch bestehen, wenn die Prüfpflichten bei der Zertifizierung fahrlässig oder vorsätzlich verletzt wurden. Darüber muss noch das OLG Nürnberg entscheiden. (fl/mwo)

Europäischer Gerichtshof

Az.: C-581/18

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