Praxisbesonderheiten: Gericht untersagt Pauschalabzug

Richtungsweisende Rechtsprechung: Ärzte können die Verordnung von fachgruppenfremden Präparaten bei Regressen als Praxisbesonderheiten voll geltend machen. Der Beschwerdeausschuss darf keine Pauschale abziehen, so ein Urteil.

Veröffentlicht:
Regresse landen nicht selten vor Gericht.

Regresse landen nicht selten vor Gericht.

© Sanders / fotolia.com

HANNOVER (cben). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat einen Richtgrößenregress aus dem Jahr 2003 für rechtswidrig erklärt - und zwar mit einer offenbar richtungsweisenden Begründung: Der pauschale Abzug von nur 50 Prozent der Volumina aus anerkannten Praxisbesonderheiten ist laut LSG-Urteil nicht rechtens.

Der Beschwerdeausschuss hatte in diesem Fall zwar Praxisbesonderheiten anerkannt, aber im Zuge der 50-Prozent-Praxis trotzdem einen Regress von fast 29.000 Euro verhängt.

Chirurg aus Niedersachsen hat geklagt

Zur Begründung der nur anteiligen Anerkennung erklärte der Ausschuss, die Verordnung der fraglichen Präparate gelte in der Fachgruppe grundsätzlich nicht als Besonderheit. Gegen den Bescheid hatte der Arzt geklagt, Zahlungsaufschub beantragt - und erhalten.

Betroffen ist hier ein Chirurg aus Niedersachsen, die Gerichtsentscheidung betrifft aber auch Hausärzte. "Das LSG hat festgestellt, dass der Beschwerdeausschuss diese Begründung undifferenziert in einer Vielzahl von Fällen einsetzt, unabhängig von der Fachgruppe und der jeweiligen Besonderheit", zitiert Dr. Oliver Pramann, der Anwalt des Arztes, das LSG.

Nicht einfach über den Daumen peilen

Der Ausschuss habe damit keine einzelfallbezogene Schätzung vorgenommen, sondern nur einen generellen Grundsatz angewandt, wonach die gehäufte Verordnung von "nicht fachgruppenfremden Präparaten", wie das Gericht schreibt, immer nur zur Hälfte als Praxisbesonderheit anerkannt werden kann.

In anderen Fällen seien teilweise nur 30 Prozent anerkannt worden, kommentiert Pramann. "Es kann nicht sein, dass der Beschwerdeausschuss den anzuerkennenden Anteil einfach über den Daumen peilt!"

Regressbescheid in dem Fall insgesamt rechtswidrig

Der Beschwerdeausschuss muss jetzt eine nachvollziehbare und einzelfallbezogene Quantifizierung der von ihm anerkannten Praxisbesonderheiten nachholen, hieß es. "Es muss also eine tatsächliche Vergleichszahl der jeweiligen Fachgruppen herangezogen werden", sagt Pramann.

Weil ein quantitatives Ergebnis noch nicht absehbar sei, sei das Gericht davon ausgegangen, dass der Regressbescheid insgesamt rechtswidrig sei.

Az.: L 3 KA 100/10 B ER

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an