"Qualitätsabhängige Vergütung ja - aber bitte mit Zeit, Sinn und Verstand"

BERLIN (ble). Führende Experten auf dem Gebiet der ambulanten und stationären Qualitätssicherung haben vor einem übereilten und totalen Einstieg in eine qualitätsabhängige Vergütung von Niedergelassenen und Kliniken gewarnt.

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Trotz einer inzwischen ausreichenden Anzahl von Qualitätsindikatoren gelte es, sich schrittweise an Pay-for-Performance-Modelle (P4P) im Gesundheitswesen heranzutasten, sagte Professor Joachim Szecsenyi von der Universität Heidelberg auf einem Symposium des Bundesgesundheitsministeriums in Berlin.

Die Erfahrungen vieler Ärztenetze zeigten, dass es Zeit brauche, um genügend Qualitätstransparenz zu erreichen und die Vergütung anschließend an besondere Leistungsqualität zu koppeln. Szecsenyi warnte dabei vor übertriebenem Ehrgeiz: Oft versuchten Ärztenetze, qualitätsabhängige Vergütungsmodelle auf einen Schlag einzuführen, erläuterte der Wissenschaftler.

Zudem kommen laut Szecsenyi, der auch Geschäftsführer des Göttinger AQUA-Instituts ist, handfeste Probleme bei der Einführung von P4P. So seien viele Patientenakten in ihrer jetzigen Form unbrauchbar, weil sie nicht lesbar und nur nach dem Datum "geordnet" sind. "Patientenakten funktionieren nach wie vor nach dem Zufluss-Prinzip" so Szecsenyi weiter. Notwendig sei aber ein krankheitsepisodenorientiertes Ordnungsprinzip. Dies gelte auch für elektronische Patientenakten.

Um die Ärzte für eine bessere Aufzeichnung ihrer Therapien zu interessieren, kann sich Szecsenyi vorstellen, gute Dokumentation mit einem P4P-Zuschlag zu honorieren. Bislang müsse man konstatieren, dass "Ärzte die Dokumentation nicht lieben".

Nach Ansicht des Geschäftsführers der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) in Düsseldorf, Dr. Christof Veit, liegt die Chance durch P4P eher in einer punktuellen Optimierung der Versorgung. "Wir dürfen uns Medizin nie so vorstellen, dass wir alles flächendeckend kontrollieren könnten." Allerdings werde es künftig möglich sein, breitere Bereiche der Versorgung über Routinedaten zu beobachten und Auffälligkeiten gezielt nachzugehen.

Dabei sei auch vorstellbar, den Versuch zu unternehmen, aus Strukturproblemen resultierende Defizite in der Versorgungsqualität durch Bonuszahlungen zu beheben, so Veit.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine Chance für die Ärzteschaft

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