Regresse: Kassen gegen Gelbe Karte für Ärzte

Gelbe statt rote Karte - so will es die Bundesregierung mit dem Grundsatz "Beratung vor Regress" auch für laufende Prüfverfahren. Widerstand kommt von den Kassen. Sie wollen die regressgefährdeten Ärzte lieber gleich bestrafen.

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BERLIN (fst). Beratung vor Regress - mit dieser Reihenfolge hat das Versorgungsgesetz eine für Ärzte klare Rangfolge bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung gesetzt.

Jetzt will die Bundesregierung im Zuge der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) klarstellen, dass diese Regelung auch für Prüfverfahren gilt, die bis Ende 2011 noch nicht abgeschlossen waren. Dagegen haben die Krankenkassen bei der Anhörung am Montag im Gesundheitsausschuss des Bundestags Front gemacht.

Seit Anfang des Jahres führt die erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 Prozent zunächst zur Beratung des Vertragsarztes. Erst nach einer abermaligen Überschreitung kann ein Regress festgesetzt werden.

Kassen warnen

Für den AOK-Bundesverband werden mit der geplanten Regelung "die falschen Signale und Anreize" gesetzt. Diese "Freischüsse für Unwirtschaftlichkeit" seien nicht geeignet, "den notwendigen verantwortungsvollen Umgang mit den knappen Ressourcen in der GKV zu schulen und zu fördern", heißt es in der AOK-Stellungnahme.

Der Arbeitsgemeinschaft der Innungskrankenkassen argumentiert, die Regelung bevorteile Vertragsärzte, deren Prüfverfahren Ende 2011 noch nicht abgeschlossen war.

Es bestehe die Gefahr, dass mehrere Vertragsärzte mit ähnlichen Überschreitungen ihrer Richgröße in einem identischen Zeitraum unterschiedlich behandelt werden.

Der Ersatzkassenverband vdek warnt, die Einbeziehung früherer Prüfverfahren könne die Wirtschaftlichkeitsprüfung "auf Jahre hinaus lähmen, wenn damit gemeint sein sollte, dass Beratungen aus Zeiten vor dem Versorgungsstrukturgesetz (VSG) nicht gelten und somit prüftechnisch alles wieder auf Null gesetzt würde".

Der vdek fordert die Klarstellung, dass bereits stattgefundene Beratungen von Vertragsärzten vor 2012 als Beratung im Sinne des VSG gelten - dann könnten nämlich Regresse auch ohne nochmalige Beratung festgesetzt werden.

KBV: Grundsatz soll für alle Prüfverfahren gelten

Die KBV dagegen hat es ausdrücklich begrüßt, dass für alle laufenden Prüfverfahren der Grundsatz "Beratung vor Regress" gelten soll.

Sie plädierte allerdings dafür, dieses Vorgehen auch auf die Zufälligkeitsprüfung (Paragraf 106 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2) sowie auf die regional vereinbarte Prüfung nach Durchschnittswerten (Absatz 2 Satz 4) auszuweiten.

Zur Begründung heißt es in der KBV-Stellungnahme, beide Prüfarten seien keine statistische Vergleichsprüfung, "sodass der Arzt bei der Erbringung und Verordnung von Leistungen niemals sicher sein kann, dass eine einzelne Leistung im Rahmen einer Zufälligkeitsprüfung nicht als unwirtschaftlich bewertet und hierfür ein Regress ausgesprochen wird".

Ähnlich sei die Situation bei Prüfungen nach Durchschnittswerten, da der einzelne Vertragsarzt das Verordnungsvolumen seiner Fachgruppe nicht kenne.

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Kommentare
Dr. Michael Hill 12.06.201219:33 Uhr

Regresse: Kassen gegen gelbe Karte für Ärzte

Et Dieu… créa la femme war der Ursprungstitel der in Deutschland unter: "Und ewig lockt das Weib" in den Kinos lief.
Diese Verlockung haben die Kassen anscheinend übersetzt in "und ewig lockt das Geld" angesichts der milliarden Überschüsse, die unter anderem auch regressierte Gelder der Ärzte beinhalten, wohl nicht in der Menge, aber was soll es.
Kleinvieh macht auch Mist scheint hier eine Devise zu sein.
Dass Ärzte nicht gedankenlos verordnen, sondern in der Regel sich für ihre Patienten einsetzen und für sie das Bessere wollen, wird nach wie vor sanktioniert. Es geht nicht um die Versicherten, es geht nicht um die zu versorgenden kranken Mitmenschen, es geht schlicht und ergreifend nur um das Geld.
Wenn hier der Gesetzgeber ein scheinbares Verständnis um die Schwierigkeiten der medizinische Versorgung der Bevölkerung zeigt und Sanktionen abzumildern versucht, zeigt es doch auf der anderen Seite ein sehr häßliches Bild der GKV, die eigentlich nicht das leisten will, wozu sie eigentlich verpflichtet ist: Versorgung der Beitragszahler, der sogenannten "Versicherten".
Diese "Dagobert Duck" Mentalität dürfte sich eine KdÖR nicht erlauben.
Kein Wunder, das jetzt das Kartellrecht für die GKV ins öffentliche Interesse gerückt worden ist.

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