Regressfalle Wundversorgung

Verbandmittel, die Praxen über den Sprechstundenbedarf beziehen, können teure Regressforderungen nach sich ziehen. Nämlich dann, wenn nicht exakt zwischen akuter und geplanter Wundversorgung unterschieden wird.

Von Rainer Kuhlen Veröffentlicht:
Geplanter Verbandwechsel: Hier sollte für Verbandmittel eine Neu-Verordnung ausgestellt werden.

Geplanter Verbandwechsel: Hier sollte für Verbandmittel eine Neu-Verordnung ausgestellt werden.

© B. Leitner / fotolia.com

VELLMAR. Die meisten Verbandmittel lassen sich zwar grundsätzlich als Sprechstundenbedarf (SSB) verordnen. Problematisch wird es allerdings bei der Wundversorgung.

Denn aufgrund der Besonderheiten der Regelungen für SSB muss hier in der Praxis zwischen der reinen Akutversorgung (zum Beispiel nach Unfällen) und der Versorgung von Wundheilungsstörungen über einen längeren Zeitraum differenziert werden.

Zwar ist den verordneten Verbandmitteln in der Regel nicht anzusehen, ob sie in der Akutversorgung oder für länger zu versorgende Wunden eingesetzt wurden.

Gerade bei Praxen, die etwa im Bereich der Wundversorgung von Diabetikern gehäuft tätig sind, fallen aber die Verordnungskosten für SSB schnell im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt auf. Die Folge: Es drohen Regressverfahren.

Und genau dann fängt der Ärger an: Im Rahmen dieser Regressverfahren ist es äußerst problematisch, wenn bekannt wird, dass Verbandmittel, die beispielsweise an Patienten mit Wundheilungsstörungen bei Diabetes mellitus verwendet werden, pauschal über Sprechstundenbedarf abgerechnet wurden.

Artikel für mehr als einen Patienten

Ausweislich der Nr. I 7.4 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM werden die Kosten für Verbandmittel, die nach der Anwendung in der Praxis oder beim Besuch verbraucht werden oder die der Patient vom Arzt zur weiteren Verwendung im Anschluss an die Konsultation beziehungsweise den Besuch erhält, zu einem großen Teil von den Krankenkassen in natura nach Verbrauch dem Arzt als sogenannter Sprechstundenbedarf über eine Apotheke oder einen speziellen Lieferanten ersetzt.

In nahezu allen Sprechstundenbedarfsvereinbarungen der jeweiligen KVen wird der Sprechstundenbedarf sinngemäß wie folgt definiert: Als Sprechstundenbedarf gelten nur solche Artikel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder die zur Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich sind.

Da bei Verbandmitteln eine Weiterverwendung aus hygienischen Gründen zwingend ausgeschlossen ist, kommt hier nur die zweite Alternative in Betracht, wonach als Sprechstundenbedarf nur solche Artikel gelten, die zur Sofortbehandlung erforderlich sind.

Kommt der Patient daher akut und ungeplant zur Wundversorgung, darf er mit SSB-Artikeln versorgt werden. Wird ein Patient dagegen zu einem "geplanten" Verbandwechsel in die Praxis einbestellt, handelt es sich nicht mehr um eine Sofort- oder Akutbehandlung, sondern um einen regulären geplanten Besuch in der Praxis.

Mittel zum Arzt mitbringen

Insoweit kann ein dann neu angelegter Verband nicht über SSB bezogen werden. In diesen Fällen bleiben dem Arzt zwei andere Möglichkeiten:

Der Arzt hat einerseits die Möglichkeit, das benötigte Verbandmaterial als Einzelbezug auf den Namen des Patienten zu Händen des Arztes zu verordnen. Die Verbandmittel können dann für den Patienten in der Praxis hinterlegt werden.

Alternativ schreibt der Arzt den Verband einfach auf Namen des Patienten auf, und dieser bringt dann die Verbandmittel zum jeweiligen Arztbesuch - ggf. zur Wiederauffüllung des Praxisvorrates- in die Praxis mit.

Um sich vor zum Teil erheblichen Regressforderungen zu schützen, sollten Ärzte also nicht "blind" Verbände über Sprechstundenbedarf "beziehen", sondern nur dann, wenn es sich hierbei tatsächlich um notfallmäßige Verbandwechsel handelt.

Zur Person: Rainer Kuhlen ist Fachanwalt für Medizinrecht in Vellmar.

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