Rinderknochen-Op: Ex-Chefarzt muss Geldbuße zahlen
MARBURG (coo). Wegen vorsätzlicher Körperverletzung muss ein ehemaliger Chefarzt des Marburger Universitätsklinikums eine Geldbuße von 10 000 Euro zahlen. Das Landgericht Marburg verhängte zudem für die Implantation von Rinderknochenpräparaten eine Geldstrafe in Höhe von 15 000 Euro, die aber zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei handelt es sich juristisch um eine Verwarnung.
Veröffentlicht:Der 67-jährige Unfallchirurg hatte einer 42-jährigen Patientin im Februar 2003 gegen ihren ausdrücklichen Willen Präparate von Rinderknochen implantiert (wir berichteten). Bei einer Kreuzbandoperation setzte er ihr drei Zentimeter lange Nägel aus Rinderknochen ein. In ihrer Patientenakte stand jedoch in Großbuchstaben, dass sie "keine bovinen Knochen" wolle. Doch der emeritierte Medizinprofessor hatte sich den Aufklärungsbogen nicht angeschaut. Angesichts von 1000 Operationen pro Jahr sei dies untergegangen, erklärte er.
"Ihr Wille ist missachtet worden", sagte Richter Carsten Paul in seiner Urteilsbegründung. "Hier wurde eine Patientin nicht ernst genommen", erklärte Staatsanwältin Annemarie Wied. Sie ging aber davon aus, dass es im Fall der 42-Jährigen keine Komplikationen gegeben habe, die auf die Rinderknochen zurückzuführen seien. Der frühere Medizinprofessor nahm die Entscheidung an, sie ist damit rechtskräftig. Die Geldbuße ist je zur Hälfte an die Bundesvereinigung Lebenshilfe und an die Staatskasse zu zahlen.
Weitere Anklagen sind erhoben worden
Die Staatsanwaltschaft hat noch in 20 weiteren Fällen Anklage erhoben, in denen der Mediziner mit Rinderknochenimplantaten arbeitete. Insgesamt ermittelte die Anklagebehörde in knapp 300 Fällen. Dabei ging es auch um Rinderknochenimplantate mit abgelaufenem Verfallsdatum oder ohne Zertifizierung. Zudem gab es bei einigen Patienten Komplikationen. Ob diese eine Folge der eingepflanzten Rinderknochen waren, sei aber schwierig zu klären, sagte die Staatsanwältin. Wann diese Verfahren vor Gericht verhandelt werden, ist noch offen.
Der ehemalige Leiter der Marburger Unfallchirurgie war nach der Aufnahme der Ermittlungen im April 2005 zunächst vom Dienst suspendiert worden. Später wurde er emeritiert. Inzwischen ist der Mediziner wieder als Konziliararzt in Gießen tätig.