Hybris-Hypothese

Selbstüberschätzung auch in der Medizin verbreitet

Besonders Top-Manager neigen dazu, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Aber auch Ärzte sind nicht vor Selbstüberschätzung gefeit.

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Übermäßiges Selbstbewusstsein kann auch hilfreich sein, denn damit scheint die Erfolgswahrscheinlichkeit zu wachsen.

Übermäßiges Selbstbewusstsein kann auch hilfreich sein, denn damit scheint die Erfolgswahrscheinlichkeit zu wachsen.

© gustavofrazao / stock.adobe.com

MÜNCHEN. Viele erfahrene Konzernchefs haben sich in der Vergangenheit in Skandale verwickelt. Rupert Stadler zum Beispiel sitzt seit Juni in Untersuchungshaft, weil unter seiner Regentschaft bei Audi Dieselmotoren manipuliert wurden. Stadler hat das zunächst bestritten, dann gab er es zu, dann trennte sich die Konzernmutter VW von ihm. Auch Heinrich von Pierer in der Schmiergeldaffäre bei Siemens oder Thomas Middelhoff, der wegen Veruntreuung von Firmengeldern bei Arcandor 2014 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, ging es ähnlich. Schuld daran, dass Unternehmenschefs sich in Skandale verwickeln, ist hauptsächlich ein psychologisches Phänomen: Die Selbstüberschätzung.

Der US-Psychologe Daniel Kahneman erklärt gescheiterte Firmen-Übernahmen mit der "Hybris-Hypothese": Demnach sind die Führungskräfte der Käufer-Unternehmen schlichtweg weniger kompetent, als sie zu sein glauben. Renommierte Auszeichnungen und Berichte in der Presse, die den Managern zu Ruhm und Ansehen verhelfen, verschlimmerten das noch, so Kahneman.

Selbstüberschätzung ist auch in der Medizin verbreitet. So berichtet Kahneman von einer Studie, in der nach dem Tod von Patienten auf der Intensivstation der Obduktionsbefund mit der Diagnose verglichen wurde: Die Ärzte, die sich mit ihrer Diagnose "vollkommen sicher" waren, hatten sich in 40 Prozent der Fälle geirrt.

Selbstüberschätzung findet auf verschiedenen Ebenen statt: Vielleicht möchte man gerne glauben, dass man ein guter Mensch ist oder im Job mehr als die Kollegen drauf hat. Der Selbstbetrug hat viele Gesichter, sagt auch Peter Schwardmann, Verhaltensökonom an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Indes kann übermäßiges Selbstbewusstsein auch hilfreich sein, wie die Politikwissenschaftler Dominic Johnson und James Fowler argumentieren. Denn damit wachse teils die Wahrscheinlichkeit des Erfolges. Schwardmann hat mit Laborexperimenten an der LMU bestätigt.

"Selbstbewusstsein hilft uns, anderen zu überzeugen und uns in unserer sozialen Welt Vorteile zu verschaffen", sagt Schwardmann. In seinen Versuchen ließ er Probanden einen Intelligenztest machen, dann sollten die Teilnehmer einschätzen, wie gut sie ihn abgeschlossen hatten. Schwardmann beobachtete, dass siegessichere Menschen, die in einem gestellten Jobinterview später andere von sich überzeugen mussten, selbstbewusster auftraten – und die Stelle bekamen.

Ob sich das Verhalten auch außerhalb des Labors bestätigen lässt, will Schwardmann noch prüfen. (dpa)

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