Drogenpolitik

Stimmungsbild: An Rhein und Saar hinterlässt Cannabis-Freigabe noch kaum Spuren

Seit einem Monat ist der Cannabis-Konsum legal. In Rheinland-Pfalz macht sich das laut Politik und Polizei noch nicht sonderlich bemerkbar. Auch aus dem Saarland werden keine Auffälligkeiten gemeldet.

Veröffentlicht:
Polizei und Rechtsprechung müssen sich nach der Cannabisfreigabe erst einmal orientieren, wo es jetzt langgeht.

Polizei und Rechtsprechung müssen sich nach der Cannabisfreigabe erst einmal orientieren, wo es jetzt langgeht.

© [M] Jiri Hera / Stock.adobe.com

Mainz/Saarbrücken. Die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene hat in Rheinland-Pfalz im ersten Monat nach Darstellung der Behörden keine auffallenden Auswirkungen gehabt. „Für eine valide Rückmeldung ist es noch zu früh“, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stefanie Loth, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Die Polizeipräsidien hätten dem Innenministerium bislang keine Auffälligkeiten gemeldet, berichtete eine Sprecherin des Ministeriums. Die Polizei müsse auch erst noch Erfahrungen sammeln. Ob jetzt mehr Menschen kiffen? Um diese Frage zu beantworten, sei es viel zu früh, sagte Anette Schilling von der Landesstelle für Suchtfragen. Es gebe noch keinerlei Erhebungen.

Die ohnehin schon mehr als voll ausgelasteten Suchtberatungsstellen seien derzeit mit Abstimmungen der Ausgestaltung des neuen Gesetzes beschäftigt, innerhalb von Rheinland-Pfalz und mit den anderen Bundesländern. Sie begrüßten es aber, mit den Anbauvereinen und den Konsumierenden in Kontakt zu kommen. So könnten sie diese frühzeitig auf Suchtaspekte aufmerksam machen und in das Hilfesystem vermitteln, erklärte Schilling.

Einzelfälle

In einzelnen Fällen sei es zu Rechts- und Handlungsunsicherheiten gekommen, sagte GdP-Landeschefin Loth. Als Beispiel nannte sie einen Fall von Cannabis-Konsum in der Nähe eines Kinderspielplatzes in einem Park. Dabei sei das Rauschgift in erlaubter Menge mitgeführt, aber wohl auch gedealt worden. In solchen Fällen könne es Schwierigkeiten mit den Zuständigkeiten - Kommune? Polizei? - und damit auch mögliche Verschleppungen geben.

Die Staatsanwaltschaften verlangten derzeit bei einem Cannabis-Fund in zulässiger Menge zudem noch eine Anzeige. Das Cannabis müsse dafür als Beweismittel sichergestellt werden. Es gebe auch noch keine klare Linie, wie auf Volksfesten damit umzugehen sei. Bei Volksfesten und Jahrmärkten, die auch von Familien mit Kindern besucht würden, ergebe sich schon aufgrund des Charakters der Veranstaltung de facto ein Konsumverbot, meint Ministeriumssprecherin Sonja Bräuer. Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumlichkeiten wie Gaststätten oder Festzelten könnten die Veranstalter von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und ein Konsumverbot aussprechen.

Das Sozialministerium erarbeitet derzeit eine Landesverordnung zur Umsetzung des Cannabis-Gesetzes. Diese solle in erster Linie die Zuständigkeit der Behörden für den Vollzug des Cannabis-Gesetzes regeln und bis Juli in Kraft sein, hieß es im Innen- und Sozialministerium.

Instrumente fehlen

Auch aus dem Saarland wird wenig anlässlich der Cannabis-Freib´gabe wenig Neues berichtet. Allerdings wirft das Cannabisgesetz nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei im Saarland viele Fragen und Probleme auf. „Es gibt sowohl bei der Bevölkerung als auch der Polizei große Handlungsunsicherheiten“, so der GdP-Landesvorsitzende Andreas Rinnert.

Der Polizei fehle nach wie vor die Ausstattung für tiefergehende Kontrollen, zum Beispiel Feinwaagen oder modernen Analyseinstrumenten, um den THC-Gehalt zu bestimmen. „Und es fehlt an Absprachen. Nahezu überall sind die grundsätzlichen Zuständigkeiten nicht klar geregelt“, kritisierte Rinnert. Weder zwischen Polizei und Ordnungsbehörden noch zwischen Bundespolizei, Zoll und Landespolizeien untereinander.

Auch polizeiintern bleiben Fragen offen: „Innerhalb der Polizeien ist vielerorts nicht geklärt, wie mit Cannabiskonsum in der Belegschaft nunmehr umzugehen ist“, betont der GdP-Chef. Es gebe bislang kein einheitliches Vorgehen und keine strukturierten Fortbildungsangebote zur neuen Gesetzeslage für die Polizisten. Man behelfe sich hier bislang zum Beispiel „mit eilig zusammengeschriebenen Handlungsanleitungen“.

Sein Eindruck sei, dass sich die Kolleginnen und Kollegen, die ohnehin schon überaus stark in ihrem alltäglichen Dienst gefordert seien, in ihrer Kontrolltätigkeit eher zurückhielten. „Zum einen sicherlich, weil oftmals ohnehin das Personal fehlt, zum anderen aber schlichtweg um hier keine Fehler zu machen.“.

Behörden „weitestgehend unvorbereitet“

Laut Polizei-Pressesprecher Stephan Laßotta gibt es aktuell auch keine Hinweise, ob – wie ehedem befürchtet – nun vermehrt Bürger aus Frankreich zum Konsum nach Deutschland kämen. „Kiffen ist ja für Erwachsene jetzt in der Öffentlichkeit erlaubt - nur an bestimmten Örtlichkeiten und zu bestimmen Zeiten nicht.“ Wenn jemand nicht dagegen verstoße, gebe es auch keinen Anlass zur Überprüfung.

Ob der Cannabis-Konsum seit dem 1. April zugenommen habe, lässt sich Laßotta zufolge noch nicht sagen. Seiner Ansicht nach spiele jedoch auch das schlechte Wetter eine Rolle, dass das Kiffen in der Öffentlichkeit noch nicht so offensichtlich sei. „So wie man sich das vorstellt, die typischen Runden abends auf der grünen Wiese, hat es das noch nicht gegeben.“

Nach Ansicht von GdP-Chef Andres Rinnert ist einen Monat nach der Cannabis-Legalisierung festzustellen, dass die Politik die Gesetzesänderung „ganz offensichtlich verschlafen“ habe. Seine Bilanz: „Die Ordnungsbehörden von Bund, Ländern und Kommunen sind weitestgehend unvorbereitet von der neuen und überaus lückenhaften Gesetzeslage überrollt worden.“ (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

© Springer Medizin Verlag GmbH

AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt