Gesamtstrafe im dritten Verfahren

Über sieben Jahre Haft für Pathologen im Saarland

Ein bereits wegen Bestechung im Gesundheitswesen und Fehlbefundungen mit teils tödlichem Ausgang verurteilter Arzt bleibt in Haft. Und der neueste Schuldspruch des Saarbrücker Landgerichts könnte noch nicht der letzte sein.

Dr. Michael KudernaVon Dr. Michael Kuderna Veröffentlicht:

Saarbrücken. Gut ein halbes Jahr muss der Pathologe Dr. H. nach seiner dritten Verurteilung wohl auf jeden Fall noch in einem saarländischen Gefängnis verbringen. Dann hätte er die Hälfte seiner neu gebildeten Gesamtstrafe von 7 Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug verbüßt und könnte auf eine Freilassung hoffen. Allerdings ermittelt die Staatsanwaltschaft noch in einem weiteren Fall wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung aufgrund von Fehldiagnosen.

Am Dienstag verkündete Richter Andreas Lauer nach knapp zweimonatiger Verhandlung das Urteil im jüngsten Verfahren gegen den Arzt, das sich um Fehlbefundenen aus dem Jahr 2019 drehte. Vorausgegangen war eine Verständigung zwischen Anklage und Verteidigung über einen Korridor beim Gesamt-Strafmaß.

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Unerklärliche Fehldiagnose

Das Landgericht erkannte schließlich auf vorsätzlichen Totschlag im Fall eines ein Jahr nach der Falschbefundung verstorbenen Patienten, bei dem H. ein malignes Melanom übersehen hatte – eine laut Sachverständigen unerklärliche Fehldiagnose. Im zweiten Fall stellte sich eine Probe entgegen der Diagnose des Pathologen später als hochgradig verdächtig heraus. Hier beließ es das Gericht beim Vorwurf der Fahrlässigkeit.

Da H. in vorangegangenen Verfahren bereits wegen Betrug und Bestechung sowie wegen Fehlbehandlungen in mehreren Fällen verurteilt worden war, wurde eine Gesamtstrafe gebildet. Der Facharzt sitzt nun seit über drei Jahren mit einer ganz kurzen Unterbrechung hinter Gittern, der Haftbefehl wurde ausdrücklich aufrechterhalten.

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Der Vorsitzende Richter resümierte noch einmal die Vorgeschichte. Danach war H. bis 2019 Inhaber eines pathologischen Instituts, in dem er und ein ursprünglich auch beschuldigter, aber inzwischen verstorbener Mitarbeiter jährlich bis zu 50.000 Befundungen durchführten. 2012 wurde bei H. eine Alkoholsucht von einer Medikamenten-Abhängigkeit abgelöst. Hinzu kam ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall. Trotz stationärer Klinikaufenthalte, Reha, zeitweiser Betreuung und schließlich 2018 einem Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsrente arbeitete er weiter.

Ermittlungen verliefen im Sande

Bei der Ärztekammer waren Ermittlungen nach Hinweisen auf Behandlungsfehler dem Richter zufolge „im Sande“ verlaufen oder konnten wegen der Schweigepflicht nicht verfolgt werden. Erst nach der Strafanzeige einer Chefärztin kam es 2019 zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft.

Das Gericht unterstrich in der mündlichen Urteilsbegründung, dass bei dem inzwischen 64-jährigen Pathologen spätestens seit dem Antrag auf BU-Rente vorsätzliches Handeln in Betracht komme. Maßgeblich sei dann aber immer noch die Einzelfallprüfung, ob eine Fehldiagnose von der korrekten Diagnose „gravierend“ abgewichen sei. Deshalb habe man bei den beiden Fällen hinsichtlich des Vorsatzes differenziert.

Ob die Serie der Gerichtsverhandlungen gegen Dr. H. nun zu Ende ist oder es möglicherweise zu einer weiteren Anklage kommt, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft teilte auf Anfrage der Ärzte Zeitung mit, es sei derzeit noch ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung in einem Fall anhängig. Mit einem Abschluss dieser Ermittlungen sei vermutlich in etwa zwei Monaten zu rechnen.

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