Kinderärzte besorgt

Wie Influencer die Ernährung von Kindern beeinflussen

Ärzte und Fachgesellschaften reagieren besorgt auf den am Dienstag veröffentlichten „Junkfluencer- Report“ von Foodwatch. Gesundheitsbedenkliche Werbung für Kinder beeinflusse deren Verhalten enorm.

Von Margarethe Urbanek Veröffentlicht:
Influencer haben auf Kinder und Jugendliche einen enormen Einfluss. Unternehmen machen sich das zunutze.

Influencer haben auf Kinder und Jugendliche einen enormen Einfluss. Unternehmen machen sich das zunutze.

© Peera/stock.adobe.com

Berlin. Instagram, YouTube, TikTok: Soziale Medien sind aus dem Alltag der meisten Kinder und Jugendliche kaum mehr wegzudenken. Das machen sich auch immer mehr Unternehmen zunutze, die ihr Werbebudget gezielt für sogenanntes Influencer-Marketing einsetzen und die Popularität einzelner Social-Media-Stars ausnutzen, um ihre Produkte zielgruppengenau unter die Leute zu bringen. Das gilt auch für ungesunde Lebensmittel, für die bezahlte Vorbilder unter Kinder und Jugendlichen werben.

Ärzten und medizinischen Fachgesellschaften bereitet das Thema Sorge. „Die Ernährungsweise, die im Kindesalter erlernt wird, hat sehr weitreichende Auswirkungen auf Körperfunktionen, Leistungsfähigkeit, die lebenslange Gesundheit und Krankheitsrisiken“, erklärte Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit, am Dienstag in Berlin.

Koletzko war Gast einer Pressekonferenz der Verbraucherorganisation Foodwatch, die am Dienstag den Report „Junkfluencer – Wie McDonalds, Coca-Cola & Co in sozialen Medien Kinder mit Junkfood ködern“ veröffentlicht hat.

Milliardengeschäft für Unternehmen

Für den Report hat Foodwatch im Jahr 2020 für einen Zeitraum von mehreren Wochen die Accounts zahlreicher Social-Media-Stars untersucht. Der Fokus lag auf Werbung für ungesunde Lebensmittel. Die untersuchten Influencer erreichten mit ihren Posts und Videos mehrere Millionen (meist junge) Menschen. Darin werben sie ganz explizit für den Konsum ungesunder Nahrungsmittel, etwa Softdrinks, Schokolade, Torten oder Fast-Food.

Die Krux: Während vielen Erwachsenen die Influencer-Welt fremd ist, genießen die Stars bei Kindern und Jugendlichen häufig eine hohe Glaubwürdigkeit. Entsprechend hoch ist ihr Einfluss auf deren Kaufentscheidungen. Das Influencer-Marketing im deutschsprachigen Bereich ist laut Foodwatch bereits ein Milliardenmarkt. Durch die Mundproganda ist es Unternehmen möglich, ihren Umsatz immens zu steigern. „Mit gesunder Ernährung können Unternehmen und Influencer leider deutlicher weniger verdienen als mit ungesunden Produkten. Ein klarer ökonomischer Fehlanreiz“, kritisierte Foodwatch am Dienstag.

Das Influencer-Marketing könnte sich laut Foodwatch und Koletzko negativ auf die Ernährung von Kindern auswirken. Bereits jetzt verzehrten Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren im Schnitt nicht einmal halb so viel Obst und Gemüse, aber mehr als doppelt so viele Süßwaren oder Snacks wie empfohlen, so Koletzko.

Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als fettleibig. Ihnen drohten im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Insgesamt entstünden so für heute übergewichtige Kinder über ihre Lebenszeit hinweg Kosten in Milliardenhöhe.

Gesetzliche Regelung gefordert

Die Unternehmen „sabotieren die Bemühungen vieler Eltern, ihre Kinder für eine gesunde Ernährung zu begeistern. Jeder fünfte Todesfall in Deutschland ist auf ungesunde Ernährung zurückzuführen“, kritisiert Foodwatch. Die Verbraucherorganisation fordert daher von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) , dem Kindermarketing „endlich einen Riegel vorzuschieben“. Auch Koletzko von der Stiftung Kindergesundheit stimmt zu: „Die subtile, perfide und von Familien nicht kontrollierbare Werbung muss geregelt werden.“

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), die auf den Junkfood-Report reagiert hat, unterstützt die Forderungen: „Zum Schutz der kindlichen Gesundheit ist daher ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Produkte notwendig, wie es bereits in vielen Ländern Standard ist.“

Studien zufolge, die Koletzko am Mittwoch vorstellte, hat der Junk-Food-Verzehr in Ländern mit verpflichtenden Werbebeschränkungen von 2002 bis 2016 immerhin pro Kopf immerhin um rund neun Prozent abgenommen. In Ländern ohne Werbebeschränkungen ist er hingegen um etwa 14 Prozent gestiegen.

Klöckner appelliert an Werbewirtschaft

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner erkannte am Mittwoch Probleme der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung in einem Statement an. „Hier sind weitergehende Beschränkungen notwendig. Dies gilt gerade auch für den digitalen Bereich, der für den Medienkonsum von Kindern immer relevanter wird.“

Regulatorisch will sie offenbar nicht eingreifen. Klöckner appelliert vielmehr an den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, „die Verhaltensregeln zu verschärfen – ganz konkret fordere ich Nachbesserungen bei der Altersgrenze und bei der Werbung für Lebensmittel mit ungünstiger Nährstoffzusammensetzung“.

Seit 2007 gibt es eine freiwillige Selbstverpflichtung der weltgrößten Lebensmittelunternehmen – den „EU Pledge“.

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