Beispiel aus Gießen

Wie Kommunen sich für Ärztenetze stark machen

Was tun, wenn eine Region Löcher in der Versorgung bekommt? Ein Beispiel aus Hessen zeigt: Kommunen und Netze rücken enger zusammen, wenn es um die Lösung von Problemen vor Ort geht.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Regionale Lösungskompetenz für Versorgungsprobleme reklamieren Ärztenetze für sich.

Regionale Lösungskompetenz für Versorgungsprobleme reklamieren Ärztenetze für sich.

© Stefan Rajewski / fotolia.com

BERLIN. Die Diskussion um die Finanzierung von Praxisnetzen lässt sich von zwei Seiten betrachten: Einerseits fällt es vielen Praxisnetzen immer schwerer, ein professionelles Netzmanagement zu bezahlen, weil die Krankenkassen immer noch sehr zurückhaltend agieren, wenn es um neue Verträge geht. Andererseits orientieren sich viele Netze zunehmend regional oder lokal.

"Es ist gar nicht so wichtig, wer in Berlin regiert, die regionalen Aspekte der Versorgung werden dagegen immer wichtiger", sagte Dr. Veit Wambach, Hausarzt und Vorstandsvorsitzender des Gesundheitsnetzes Qualität und Effizienz (QuE) in Nürnberg, am Rande der 20. Netzkonferenz in Berlin im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Vor diesen Problemen stehe letztlich jede Bundesregierung, unabhängig von den Parteien.

Gleichzeitig wächst aber auch das Interesse der Kommunen an der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung als Teil einer funktionierenden regionalen Infrastruktur - parallel mit den zunehmenden Problemen niedergelassener Ärzte, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Das hat sich auf der vom Biopharmaunternehmen UCB veranstalteten Konferenz gleich bei mehreren Beiträgen gezeigt.

Ein Beispiel ist der Landkreis Gießen, immerhin ein Kreis mit einer Medizin-Fakultät in der Stadt: "Wir haben derzeit noch Überversorgung, aber die Welle der Versorgungsprobleme rollt auf uns zu", berichtete Dirk Oßwald, 1. Kreisbeigeordneter und Gesundheitsdezernent des Kreises, auf der Netzkonferenz.

70 Prozent der Hausärzte im Landkreis würden bis 2025 voraussichtlich das Alter von 65 Jahren erreichen. Da Kommunen in Zukunft laut Koalitionsvertrag als Gründer von MVZ auftreten dürfen, habe er hier Handlungsbedarf gesehen - und machte eine überraschende Feststellung. "Alle Akteure aus dem Gesundheitswesen kamen auf mich zu - außer den niedergelassenen Haus- und Fachärzten."

Arztsitze zum Zwischenparken

Im Kontakt mit dem landesübergreifenden Netzverbund Hessenmed habe er dann den Grund herausgefunden: "In ganz Hessen gibt es Ärztenetze, aber in Gießen war ein weißer Fleck", so Oßwald.

In Gießen, erläuterte Gabriele Bleul, Geschäftsführerin von Hessenmed, sei es bis dato nicht gelungen, die Kolleginnen und Kollegen im Kreis zusammenzubringen, wohl auch aus zwischenmenschlichen Gründen.

Doch das änderte sich mit der Initiative des Kreisbeigeordneten: Zusammen mit dem Diabetologen-Netz und mit Hessenmed habe er eine Informationsveranstaltung für Ärzte organisiert, berichtete Oßwald weiter, später wurde dann im Herbst vergangenen Jahres das Netz "ÄNeGi" mit zunächst rund 70 Ärzten als Mitgliedern aus der Taufe gehoben.

Das Netz ist jetzt Ansprechpartner für Oßwald, zusammen mit der Klinik wurden auch gleich erste Aktivitäten angestoßen: Es werde jetzt ein zentrales MVZ gebildet, das Arztsitze, die nicht wiederbesetzt werden können, übernehmen solle - allerdings nur um diese "zwischen zu parken".

Das heißt, wenn ein Arzt aus dem MVZ sich später selbständig machen will, kann er den Sitz mitnehmen, eine Rivalität zwischen MVZ und niedergelassenen Ärzten soll es im Landkreis nicht geben. Dass ein Ärztenetz bei den Problemen, junge Ärzte aufs Land zu ziehen, helfen könne, habe das Gesundheitsnetz Osthessen (GNO) gezeigt.

"Fast alle GNO-Ärzte haben in den vergangenen Jahren einen Nachfolger gefunden", berichtete Gabriele Bleul. Und hessenweit gebe es in vielen Netzen interessante Initiativen für die Versorgung.

Auch ein Teil der Finanzierungsprobleme der Netze lasse sich vielleicht regional oder lokal lösen, so die Hoffnung Bleuls. So könnten Landkreise manche Leistungen, die sie in Programmen für die lokale Gesundheitsinfrastruktur erbringen, an Ärztenetze delegieren und dann auch bezahlen.

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