Verbindliche Förderung

Ärztenetze hoffen auf große Koalition

Die Flaute bei den Selektivverträgen bringt viele Ärztenetze in Bedrängnis. Die Hoffnung der Netzärzte ruht auf Plänen der großen Koalition, Netze verbindlich zu fördern und mehr Freiräume für Verträge zu schaffen.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Topf voller Geld: Wird er für der Förderung der Ärztenetze verbindlich?

Topf voller Geld: Wird er für der Förderung der Ärztenetze verbindlich?

© nucro / fotolia.com

BERLIN. Viele Ärztenetze sind derzeit dringend auf der Suche nach Geldquellen: Sie haben professionelle Management-Strukturen aufgebaut, auch um für die Krankenkassen als Partner für Selektivverträge interessant zu werden, werden aber auf der Einnahmeseite meist ausgebremst, weil die Aufsicht der Krankenkassen bei neuen Verträgen sehr restriktiv vorgeht. Das ist bei der 20. Netzkonferenz in Berlin am Wochenende deutlich geworden. Die Konferenz ist vom Biopharmaunternehmen UCB veranstaltet worden.

Fast unisono klagten Vertreter von Kassen, Ärztenetzen und KVen über die Auslegung der Gesetze zum Abschluss von Selektivverträgen durch das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsicht. "Es passiert fast nichts mehr oder, wenn doch, dann erst nach langen Verzögerungen wegen geforderter Vertragsänderungen", stellte Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender der Techniker Krankenkasse fest.

Einer solchen Kritik hatte das BVA vor Kurzem mit Blick auf eine angeblich verzögerte Genehmigungspraxis bei IV-Verträgen heftig widersprochen.

Auf die Inhalte des Koalitionsvertrages hoffen

Die Hoffnungen der rund 20.000 in Netzen organisierten niedergelassenen Ärzte richten sich nun auf die Inhalte des Koalitionsvertrages, der unter anderem vorsieht, dass die Förderung von Praxisnetzen ausgebaut werden soll.

In einer Analyse des Koalitionsvertrags richtete Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, das Augenmerk auf die Pläne, die Rahmenbedinungen für Selektivverträge anzugleichen und die Evaluation der Verträge nach jeweils vier Jahren zu erlauben.

Aktuell sind Selektivverträge über viele Paragrafen im SGB V umsetzbar, was zu viel Wildwuchs geführt hat. "Wenn es gelänge, alles das in einem Gesetzeswerk zusammenzuführen, dann begrüßen wir das", sagte Montgomery.

Auch die ebenfalls vorgesehene Vereinfachung des Bereinigungsverfahrens wäre hilfreich, so seine Einschätzung. In der Tat wurde auf der Konferenz beklagt, dass die Bereinigung insbesondere für kleinere Verträge extrem aufwendig sei. "Der Elan, der aufgrund der möglichen Förderung der Netze wieder da ist, wird vom BVA noch abgeschnürt", so TK-Vertreter Ballast. Auch bei den Hausarztverträgen sei die Bereinigung nicht einfach, aber immerhin funktioniere sie mittlerweile.

Sowohl Montgomery als auch Ballast warnten allerdings, dass der Koalitionsvertrag "nur Prosa" sei, und noch kein Gesetzestext. Michael Hennrich, Bundestagsmitglied und in der CDU-Fraktion einer der Gesundheitsexperten, gab zu, dass die Koalitionäre Netze bisher gar nicht so sehr auf dem Schirm gehabt hätten.

Warnung vor einer Riesen-Monsterbehörde

"Ich dachte, wir könnten viele Probleme mit der Versorgung auf dem Land über MVZ lösen", so Hennrich, der sich aber offen zeigte, mit Netzvertretern über die Rolle der Netze ins Gespräch zu kommen.

Bei der Diskussion zeigte sich auch, dass die Differenzen zwischen den Netzen und den Kassenärztlichen Vereinigungen gar nicht mehr so groß sind. Im Zuge der Gesetzgebung zur Netzförderung, die jetzt in den KVen nach und nach umgesetzt wird - Schleswig-Holstein gehört hier zu den Vorreitern - seien Netze und KVen wieder zusammengerückt, sagte KVSH-Chefin und ehemals Netzaktivistin Dr. Monika Schliffke bei der Netzkonferenz.

Eine immer größere Rolle spielen die Ärzteverbünde auf der lokalen Ebene bei der Lösung der Versorgungsprobleme. Jäger appellierte an die Politik, dass Netze "endlich den Status als Leistungserbringer" bekommen müssten, damit sie Ärzte anstellen könnten. Die Möglichkeit, Ärzte, die zu Beginn das Risiko scheuen, sich niederzulassen, über die Anstellung am Ende doch noch in die Selbstständigkeit zu bringen, sei bisher noch sehr kompliziert umsetzbar.

Auch der geplante Innovationsfonds in Höhe von insgesamt 300 Millionen Euro, davon 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung, wurde bei der Netzkonferenz als Chance für Ärzteverbünde diskutiert. "Da haben wir Netze schon ein Auge darauf geworfen", äußerte sich Dr. Carsten Jäger, Stellvertretender Vorsitzender der Agentur Deutscher Arztnetze und Netzmanager im Ärztenetze Südbrandenburg (ANSB).

Kassenvertreter Thomas Ballast äußerte sich zu diesem Punkt eher skeptisch: Die Verwaltung der Gelder über den Gemeinsamen Bundesausschuss mit jährlicher Ausschreibung sei kein Modell dafür, dass dabei "Innovatoren nach vorne preschen und mal etwas versuchen", so seine Einschätzung. Zudem werde es voraussichtlich dauern, bis der Fonds umgesetzt werde.

Auch Montgomery warnte davor, dass der GBA den Innovationsfonds verwalten solle. Hier werde "eine Riesen-Monsterbehörde aufgebaut", kritisierte der BÄK-Präsident. Die Ärztekammern unterstützten die Eigeninitiative von Mitgliedern, sich in Netzen zusammenzuschließen, fasste Mongomery zusammen. Bei Problemen könnten sie zum Beispiel juristische und auch moralische Unterstützung geben.

Walter Plassmann, KV-Chef in Hamburg, kündigte an, dass im März voraussichtlich die Vertreterversammlung die Umsetzung der Netzförderung beschließen werde. Und nach der Anerkennung der ersten Netze, so Plassmann, "werden wir zu den Kassen marschieren, dass sie Geld lockermachen".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Netze im Vertragsstau

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