Betreuungsprogramme

Zu unrecht ein rotes Tuch

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Richtig eingesetzt können Betreuungsprogramme von Kassen Hausärzte sinnvoll entlasten. Doch die Vorbehalte an der Basis sind groß.

Von Johanna Dielmann-von Berg

BERLIN. Viele Ärzte reagieren zurückhaltend auf Betreuungsprogramme von Krankenkassen für Patienten - zu Unrecht. Denn auch für Ärzte können diese Vorteile bieten, sagte Wolfgang Gerlach-Reinholz beim Deutschen Ärzteforum am Freitag in Berlin.

Der Hausarzt aus Westfalen entwickelt neben seiner Praxistätigkeit selbst Begleitungsprogramme beim Duisburger Unternehmen Sanvartis.

Ärzte könnten etwa von langen Informationsgesprächen mit Patienten über ihre Medikation entlastet werden, wenn es für sie andere qualifizierte Anlaufstellen gibt.

Durch den engen Austausch innerhalb des Programms könnten Ärzte schnell reagieren, wenn sich der Gesundheitszustand eines Patienten verschlechtert.

Ein weiterer Vorteil: Gut informierte Patienten kämen nur für notwendige Anlässe in die Praxis, was das Budget entlaste, sagte Gerlach-Reinholz. Dennoch: "Viele Kollegen aus meinem Qualitätszirkel sind misstrauisch", berichtet er.

Ärzte befürchteten, Krankenkassen oder pharmazeutische Unternehmen könnten ihre Therapiefreiheit beschneiden oder die Verordnung von Arzneimitteln kontrollieren.

Auch sorgten sie sich darum, dass ihre Patienten zu anderen Ärzten umgesteuert werden könnten. Beides dürfe durch Betreuungsprogramme nicht passieren, warnte Gerlach-Reinholz.

Gute Erfahrungen bei der AXA

Die Akzeptanz solcher Programme stehe und falle mit der Kommunikation: Ärzte benötigten Informationsmaterial darüber, was das Programm leistet und was nicht. Die Therapiehoheit müsse stets beim behandelnden Arzt bleiben.

Stellten Kassen anhand der Patientendaten etwa eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes fest, müsse dies mit dem Arzt besprochen werden. Geklärt werden müsse auch im Vorhinein, wer zur Unzeit verständigt werden soll, erläuterte der Hausarzt.

Klar sein müsse zudem, wie Ärzte entlastet werden können. Zum Beispiel könnten Casemanager der Kassen mit dem Arzt definierte Versorgungsschritte organisieren oder die Patienten an Facharzttermine erinnern.

Die private Krankenversicherung AXA hat damit nach eigenen Angaben gute Erfahrungen gemacht. "Indem wir vier bis fünf Wochen im Voraus schauen, wie die häusliche Situation ist oder welche Pflege gebraucht wird, können wir zum Beispiel bei Schlaganfallpatienten eine längere Reha vermeiden", berichtete Klaus-Dieter Dombke von der AXA.

Allerdings fällt es Kassen und Anbietern schwer, zu identifizieren, welche Patientengruppen von einem Betreuungsprogramm profitieren und auch motiviert sind, sagte Privat-Dozent Dr. Christian Krauth von der Medizinischen Hochschule Hannover.

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