121. Deutscher Ärztetag

Fernbehandlungsverbot gekippt

Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Ärztetag am Donnerstagmorgen für die Lockerung des Fernbehandlungsverbots gestimmt. Jetzt ruht die Hoffnung auf den Landesärztekammern, dass auch sie mitziehen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der BÄK, redete den Delegierten vor der Abstimmung zum Fenbehandlungsverbot noch einmal ins Gewissen

Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der BÄK, redete den Delegierten vor der Abstimmung zum Fenbehandlungsverbot noch einmal ins Gewissen

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ERFURT. Dass es zu einem so eindeutigen Ergebnis kommen würde, war am Mittwoch noch nicht abzusehen: Bis abends wurde heiß über die vom Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) vorgesehene Lockerung des Fernbehandlungsverbots diskutiert.

Am Donnerstagmorgen fiel dann das Votum: "Mit überwältigender Mehrheit haben die Delegierten den Antrag angenommen", freute sich BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery.

Nur drei Minuten später konnte er die Glückwünsche des Gesundheitsministers übermitteln: "Herr Spahn hat mir gerade eine SMS geschickt", sagte Montgomery im Sitzungssaal.

Im Einzelfall auch bei noch unbekannten Patienten

Die neue Regelung in der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) sieht künftig in Paragraf 7 Abs. 4 vor, dass Ärzte "im Einzelfall" auch bei ihnen noch unbekannten Patienten eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien vornehmen dürfen. Sofern dies "ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt" gewahrt ist.

"Entscheidend ist hier die Verantwortung des Arztes und, dass es richtig dokumentiert wird", sagte Montgomery. Die Sorgen und Ängste der Ärzte, die sich in der Debatte am Mittwoch zeigten, nimmt die BÄK dabei sehr wohl ernst.

"Sie zeigen, wie wichtig uns allen die Arzt-Patienten-Beziehung ist", so Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der BÄK. Aber gerade deshalb sollten Ärzte die Digitalisierung und Fernbehandlung aktiv mitgestalten.

"Eine Entscheidung hinauszuziehen, heißt, handlungsunfähig zu sein", stellte Mischo klar. "Wir müssen dieses Feld mit ärztlicher Kompetenz besetzen", redete er den Delegierten vor der Abstimmung am Donnerstagmorgen noch einmal ins Gewissen.

Keine leichte Aufgabe, denn die Palette der Bedenken war groß: Nicht gerade wenige Kritiker sorgten sich in der Debatte um das Arzt-Patienten-Verhältnis. Sorgen gab es aber auch in Sachen Versorgungsqualität und Datenschutz – oder davor, dass die niedergelassenen Ärzte künftig durch Call-Center ersetzt werden.

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Veröffentlicht: 10.05.2018 © Springer Medizin

"Der Arzt, der fünf Jahre im telemedizinischen Zentrum arbeitet, der kennt den Goldstandard nicht, der weiß gar nicht mehr, wie Patienten behandelt werden", monierte etwa Wieland Dietrich aus Nordrhein. Er gestand aber auch ein, dass eine Nicht-Lockerung nicht davor schütze, dass nicht andere die Fernbehandlung machten.

Mischo stellte den Delegierten die Frage, ob man den Kollegen draußen verbieten dürfe, selbst zu entscheiden, wann und welche Kommunikationsmittel sie bei der Behandlung einsetzen.

"Ich persönlich schätze die Freiheit der ärztlichen Berufsausübung. Wir dürfen diese Freiheit nicht durch berufsrechtliche Vorgaben beschränken", so Mischo.

Es gibt Einschränkungen

Ein paar Einschränkungen gibt es aber doch: Die Krankschreibung per Telefon oder Videokonferenz bei unbekannten Patienten lehnten die Delegierten ab, ebenso Verordnungen ausschließlich im Rahmen von Fernbehandlung. Letzterer Punkt wurde am späteren Vormittag aber nochmals an den Vorstand verwiesen.

Nun ist es an den Landesärztekammern, die Lockerung ebenfalls zu übernehmen. Das dauert laut dem BÄK-Präsidenten erfahrungsgemäß noch einmal ein bis zwei Jahre.

Der BÄK-Präsident hofft zudem, dass auch die beiden Kammern, in denen es schon eine Regelung gibt – also Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein – hier ebenfalls die neue Formulierung der MBO-Ä übernehmen. Das Saarland, das die Lockerung ja erst kurz vor dem Ärztetag abgelehnt hat, wäre ebenfalls noch zu überzeugen.

"Einen Flickenteppich" könnten die Ärzte hier nicht gebrauchen, so der BÄK-Präsident. "Hier bleibt auch wirklich die Kirche im Dorf", kommentierte er die neue Rgelung, es gehe lediglich um eine saubere Triage.

Und eben darum, dass telemedizinische Leistungen, wenn sie denn da sind, auch bestimmte medizinische Qualitätsstandards erfüllen, ergänzte BÄK-Vizepräsident Dr. Max Kaplan. "Dazu müssen wir es als Ärzte selbst machen", so Kaplan.

Video-Umfrage zur Fernbehandlung

Die "Ärzte Zeitung" hat am Rande des Ärztetags vier Ärzte und eine Medizinstudentin in einer Video-Umfrage befragt, was sie von der Lockerung des Fernbehandlungsverbots halten.

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Veröffentlicht: 10.05.2018 © Springer Medizin

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