Interview

"Die Heilungschancen bei chronischer Hepatitis C sind besser geworden"

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"Die primäre Hepatitis-Diagnostik findet in der hausärztlichen Praxis statt. " Zur Person Professor Claus Niederau ist Gastroenterologe und Chefarzt der Kliniken für Innere Medizin am St. Josef-Hospital in Oberhausen, sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Leberhilfe e.V.

Gezielte Hepatitis-Diagnostik bei dauerhaft hohen Transaminasen / HBV-Impfrate bei Medizin-Personal zu niedrig 

Um die große Zahl unentdeckter chronischer Hepatitis-Krankheiten in Deutschland zu verkleinern, spricht sich Professor Claus Niederau vom St. Josef-Hospital in Oberhausen für eine unverminderte Aufklärung vor allem in Risikogruppen aus und schlägt Tests auf Hepatitis für Einwanderer vor. Auch die Impfraten unter medizinischem Personal seien noch unbefriedigend. Mit dem Gastroenterologen sprach Thomas Meißner von der "Ärzte Zeitung".

Ärzte Zeitung: Herr Professor Niederau, heute ist Welt-Hepatitis-Tag und noch immer ahnen viele Menschen nichts von ihrer Virusinfektion. Was können Ärzte tun, um besser an sie heranzukommen und die Diagnose zu sichern?

Professor Claus Niederau: Bei jeder dauerhaften Erhöhung der Transaminasen, für die sich keine eindeutige Erklärung findet, sollten Hausärzte eine gezielte Diagnostik auf Hepatitis B und C vornehmen, also das HBs-Antigen und HCV-Antikörper bestimmen. Mit diesen beiden einfachen Laboruntersuchungen erkennt man über 95 Prozent der chronischen Infektionen mit Hepatitis B und Hepatitis C. Bestimmte Risikogruppen von Menschen sollte man eventuell auch dann testen, wenn die Leberwerte normal sind, etwa wenn sie Bluttransfusionen vor 1990 bekommen haben, früher einmal intravenös zu verabreichende Drogen benutzt wurden oder auch bei Migranten aus Ländern mit hoher Hepatitis-Prävalenz.

Ärzte Zeitung: Welche Länder sind das?

Niederau: Das sind vor allen Dingen viele Länder Afrikas und Asiens, aber auch die Länder der ehemaligen Sowjetunion. In vielen Staaten der ehemaligen UdSSR kommt die Hepatitis C etwa zehnmal häufiger vor als bei uns. In Teilen von Afrika und Asien muss man davon ausgehen, dass die Hepatitis B sogar 10- bis 20-mal häufiger ist als bei Personen, die in Deutschland geboren wurden.

Ärzte Zeitung: Im Zusammenhang mit Hepatitis B kommen ja auch Hepatitis-Delta-Viren vor. Sollte die entsprechende Serologie stets parallel erfolgen?

Niederau: Nach der neuen Leitlinie gehören bei der Erstdiagnose die Delta-Antikörper dazu, um diese Koinfektion auszuschließen, auch wenn das relativ selten der Fall ist.

Ärzte Zeitung: Ein anderer Punkt ist die Prävention, was kann auf diesem Gebiet in Deutschland noch besser werden?

Niederau: Drogenabhängige Menschen haben ein hohes Risiko, sich vor allem eine Hepatitis B und C zuzuziehen. In diesen Gruppen kann man nicht genug über den Gebrauch steriler Nadeln und über die Hygiene aufklären und Betreuungsprogramme fortführen. Sobald man da nachlässt, steigen die Infektionsraten wieder an. Mit Blick auf die Hepatitis B müsste meiner Meinung nach ein Screening unter einreisenden Migranten stattfinden, wie das in anderen Ländern üblich ist, zumal die Hepatitis B ja ansteckend bleibt und sich die Infektion weiter ausbreitet. Ich gebe zu bedenken, dass in den Ballungsgebieten Deutschlands zwei Drittel aller Hepatitis-B-Patienten Migranten sind. Ein Screening würde sowohl den Einwanderern als auch der Gesamtbevölkerung zugutekommen.

Als gut zu bewerten ist die Impfquote gegen Hepatitis B unter den in Deutschland geborenen Kindern. Sie liegt bei fast 90 Prozent. Nicht befriedigend sind die Durchimpfungsraten beim Personal in medizinischen Berufen. Sie ist mit schätzungsweise 50 Prozent zu niedrig.

Ärzte Zeitung: Was gibt es Neues zur Therapie bei Virushepatitis?

Niederau: Es sind in den vergangenen Jahren viele neue Substanzen zugelassen worden, gerade vor wenigen Wochen erst Tenofovir gegen Hepatitis B. Damit steht uns eine Palette von sechs Virustatika gegen Hepatitis B zur Verfügung: neben dem genannten also Lamivudin, Adefovir, Entecavir, Telbivudin und Interferon.

Im Unterschied zu früher richtet man sich heute bei der Indikationsstellung vor allem nach der Virusmenge im Blut, also der HBV-DNA. Bei der Auswahl der Medikamente richtet man sich nach der Viruslast und dem Schweregrad der Erkrankung. Je größer die Viruslast und je schwerer die Erkrankung, desto eher greift man zu einem Medikament mit möglichst geringen Resistenzrisiken, also Entecavir und Tenofovir. Patienten mit niedriger Viruslast und ohne Leberzirrhose können prinzipiell mit jedem der genannten Virustatika behandelt werden. Bis auf Ausnahmen fängt man heute mit einer Monotherapie an. Die Kombinationstherapie kommt zum Beispiel für Patienten mit Resistenzen in Betracht.

Ärzte Zeitung: Über welche Zeiträume wird behandelt?

Niederau: Orale Medikamente muss man bei den HBeAg-positiven Patienten solange geben, bis das HBe-Antigen verschwunden ist, plus zwölf Monate. Danach bleiben die Viren meist niedrig replikativ, sodass zunächst keine weitere medikamentöse Behandlung erforderlich ist. Allerdings haben zwei Drittel der Hepatitis B-Patienten bei der Diagnose kein HBe-Antigen mehr. Diese Patienten muss man zeitlich unbegrenzt behandeln. Wenn darunter das HBs-Antigen verschwindet, kann ein Absetzen der Medikation erwogen werden, aber im Allgemeinen handelt es sich um eine Dauertherapie.

Ärzte Zeitung: Wie sehen im Moment die Heilungschancen bei Hepatitis C aus?

Niederau: Die Therapieergebnisse bei chronischer Hepatitis C sind in den vergangenen Jahren besser geworden. Die Behandlungsindikation hängt ab vom Alter des Patienten, dem Grad der Fibrose, den Erfolgsaussichten und Kontraindikationen der Therapie sowie von Begleiterkrankungen. Behandlungsbedürftig sind vor allem Patienten, die bereits eine deutliche Fibrose oder Zirrhose haben. Im Gegensatz zur chronischen Hepatitis B kann man die HCV-Infektion heute mit der Standardtherapie aus pegyliertem Interferon und Ribavirin bei fast 50 Prozent der Patienten heilen, sodass hier keine Dauertherapie nötig ist.

Die Heilungsaussichten bei der HCV-Infektion hängen vor allen Dingen vom Genotyp und von der Viruslast ab: Patienten mit Genotyp 1 haben im Gegensatz zum Genotyp 2/3 eine schlechtere Prognose. Auch eine große Virusmenge und eine deutliche Leberfibrose sind schlechte Voraussetzungen für einen Therapieerfolg. So haben auch bei optimaler Therapie Patienten mit Genotyp 1, großer Viruslast und fortgeschrittener Fibrose bei 48-wöchiger Therapie nur eine 30- bis 40-prozentige Chance der Viruselimination. Bei Genotyp 2/3 und niedriger Viruslast hingegen kann man heute schon mit einer 16-bis 24-wöchigen Therapie etwa 90 Prozent der Patienten heilen.

Ärzte Zeitung: Wie sollte die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Spezialisten bei der Versorgung von Hepatitis-Patienten optimalerweise aussehen?

Niederau: Die primäre Diagnostik findet natürlich beim Hausarzt statt. Das erfordert also Kenntnisse über die diagnostische Strategie, über Risikogruppen und Prävention. Die Therapieindikation und die Wahl der Medikamente ist eher Sache des Gastroenterologen. Die weitere Überwachung der Therapie und des Krankheitsverlaufs ist dann eine Frage der Absprache.

Zur Person

Professor Claus Niederau ist Gastroenterologe und Chefarzt der Kliniken für Innere Medizin am St. Josef-Hospital in Oberhausen, sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Leberhilfe e.V.

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