Interview

"Wir wollen die HPV-Impfung in Schulen"

Die HPV-Impfung ist eine große Chance zur Krebsprävention und sollte bei uns unbedingt besser genutzt werden, betont Professor Jürgen F. Riemann von der Deutschen Krebsstiftung. Er begrüßt daher die neue Empfehlung zum HPV-Schutz von Jungen und setzt sich für Impfungen in Schulen ein.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
In der Schlossbergschule in Bensheim-Auerbach (Kreis Bergstraße) wird schon gegen HPV geimpft.

In der Schlossbergschule in Bensheim-Auerbach (Kreis Bergstraße) wird schon gegen HPV geimpft.

© Gesundheitsnetz Rhein Neckar

Professor Jürgen Riemann: Ich freue mich sehr darüber, weil ja auch die Jungen von der Impfung stark profitieren können. Mit HPV wird häufig nur das Zervixkarzinom verbunden. Die HP-Viren verursachen aber auch Anal- und Penis-Karzinome sowie Oropharynx-Karzinome.

Durch die Impfung ließe sich die Zahl dieser Krebserkrankungen fast gegen null senken, wie die Ständige Impfkommission (STIKO) in einer sorgfältigen Analyse belegt hat.

Außerdem lassen sich mit der Impfung Genitalwarzen vermeiden. Jeder, der die Warzen mal gesehen hat, weiß wie schrecklich und eklig sie sind und wie sehr sie die Lebensqualität und vor allem das Sexualleben Betroffener beeinträchtigen können. Gerade von Urologen hören wir daher zur HPV-Impfung: Endlich passiert hier mal was!

Schließlich profitieren auch die Mädchen von der neuen Impfempfehlung, denn die Jungen sind ja die Hauptüberträger von HPV. Und was viele nicht wissen: Anders als zum Beispiel HIV lässt sich die HPV-Übertragung nicht vollständig durch Kondome vermeiden. Hier kann zur Ansteckung ein einfacher Schleimhautkontakt ausreichen.

Warum wird die HPV-Impfung in Deutschland bisher so schlecht angenommen?

Riemann: Die Impfraten gegen HPV sind tatsächlich enttäuschend niedrig. Noch nicht einmal die Hälfte der 17-jährigen Mädchen ist komplett geschützt. Da wird eine große Chance vertan, denn die Impfung sollte ja vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Daher wird die Impfung schon ab dem 9. Lebensjahr empfohlen.

Das schlechte Image der HPV-Impfung in Deutschland lässt sich vor allem auf eine Kampagne von 13 Wissenschaftlern zurückführen.

Diese zum Teil hochkarätigen deutschen Forscher hatten 2008 die schnelle Aufnahme der HPV-Impfung in den Impfkalender für Mädchen kritisiert. Damals waren vor allem Bedenken zur Sicherheit und zur Wirksamkeit der Impfung geäußert worden.

Die Kritikpunkte wurden seither alle weitgehend entkräftet. Viele Studien belegen das gute Sicherheitsprofil und die Wirksamkeit der Impfstoffe.

Eine ganz aktuelle Studie aus Finnland zeigt jetzt auch, dass die HPV-Impfung nicht nur wie in den Zulassungsstudien belegt Vorstufen des Zervixkarzinoms verhindert, sondern auch vor invasiven Tumoren schützt.

Die Impfung sollte also unbedingt auch in Deutschland besser genutzt werden. Und Erfahrungen mit anderen Impfungen zeigen, dass auch in Deutschland hohe Schutzraten möglich sind, wenn Eltern von deren Nutzen überzeugt werden.

Wie wollen Sie zu höheren HPV-Impfraten beitragen?

Professor Jürgen F. Riemann

"Wir wollen die HPV-Impfung in Schulen"

© Stiftung LebensBlicke

Ehemaliger Direktor der Medizinischen Klinik C am Klinikum Ludwigshafen (Internist / Gastroenterologe)

Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Krebsstiftung

Vorstandsvorsitzer der Stiftung LebensBlicke

Riemann: Die HPV-Impfung ist echte Krebsprävention. Für diesen einzigartigen Schutz sind wir als Deutsche Krebsstiftung gerade dabei, mit anderen Organisationen eine "Allianz für ein bundesweites organisiertes HPV-Schulimpfprogramm" ins Leben zu rufen.

Untersuchungen in Australien, Österreich, Großbritannien, Skandinavien und Kanada zeigen nämlich, dass nur in Schulen Kinder ausreichend für Impfungen erreicht werden können.

Die geplante Allianz für die Schulimpfung hatte bereits im Juli eine erste Sitzung in Berlin. Mitte September treffen wir uns erneut, um über die weitere Strategie zu beraten.

Die Deutsche Krebsstiftung hat dazu die Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung (ÄGGF), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das Gesundheitsnetz Rhein-Neckar eingeladen.

Erwartet werden auch Vertreter von Fach-Organisationen der Kinder- und Jugendärzte, Hausärzte, Gynäkologen und Urologen.

Schulimpfungen gibt es in Deutschland schon viele Jahre nicht mehr. Ist das überhaupt durchsetzbar?

Riemann: Im Rahmen der Initiative Prävention in der Metropolregion Rhein-Neckar haben wir zusammen mit dem Gesundheitsnetz Rhein-Neckar ein solches Modell-Programm schon erfolgreich durchgeführt, und zwar mit der Unterstützung von Kommunen und niedergelassenen Ärzten vor Ort. Dieses Vorgehen könnte als Blaupause für bundesweite Aktivitäten dienen.

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Veröffentlicht: 10.09.2018 © Springer Medizin

Bei diesem auch evaluierten Modell-Projekt hat uns Nobelpreisträger Professor Harald zur Hausen entscheidend unterstützt; er hat mit seinen Forschungen ja die Grundlagen für die Bedeutung von HPV und den HPV-Schutz geschaffen. In seinem Heimatkreis Bergstraße in Südhessen bieten wir seit 2015 Mädchen der vierten Grundschulklassen die Impfung an.

Gestartet wurde mit sechs Schulen, inzwischen nehmen 13 Schulen an dem Projekt teil. Den Impftagen vorgeschaltet sind Informationsabende von Ärzten für Eltern und Lehrer zur HPV-Impfung. In einer Auswertung entschieden sich danach 87 Prozent der Eltern für die Impfung, 38 Prozent nahmen diese in der Schule wahr. Über 400 Mädchen konnten inzwischen geimpft werden.

Für das Projekt hatten wir alle niedergelassenen Ärzte, vor allem Pädiater, Gynäkologen und Allgemeinmediziner der Region angeschrieben. Jeder von ihnen konnte sich freiwillig für das Projekt melden, um zu impfen. Die Impfung wird dabei von den Krankenkassen bezahlt.

Wir hoffen nun, dass solche Schulimpfprogramme künftig hessenweit angeboten werden können. Der zuständige Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) hat sich von Beginn an interessiert gezeigt und will Hessen auch in diesem Punkt voranbringen. Neuen Schub für die HPV-Prävention gibt jetzt die Einführung der HPV-Impfung auch für Jungen durch die STIKO.

Und mit der "Allianz für ein bundesweites HPV-Schulimpfprogramm" möchten wir schließlich auch bundesweit die Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, vor allem in der Politik nachdrücklich dazu aufrufen, alles dafür zu tun, entsprechende Angebote zu schaffen. So werden wir hoffentlich dazu beitragen, dass die HPV-Impfung aus ihrem Schattendasein hervortritt.

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