Kinderonkologie

„Potenzial der Präzisionsmedizin ist noch nicht ausgeschöpft“

Das Ergebnis einer großen Screening-Studie hat die Forscher überrascht: Mehr pädiatrische, intensiv vorbehandelte Tumoren als vermutet eignen sich für eine molekularbiologisch angepasste Therapie.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:
Zelle im Fadenkreuz: Die Präzisionsmedizin hat in einer Studie überrascht.

Zelle im Fadenkreuz: Die Präzisionsmedizin hat in einer Studie überrascht.

© psdesign1 / Fotolia

NEU-ISENBURG. Bei jeder dritten bis vierten rezidivierten oder primär therapierefraktären Krebserkrankung im Kindesalter ist die molekular-zielgerichtete Behandlung ein medizinisch sinnvoller Ansatz: 29 Prozent eignen sich für die Präzisionsmedizin mit Substanzen, die bereits zugelassen oder in klinischer Prüfung sind.

Das sind die Ergebnisse einer Studie, die bei der 55. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) Anfang Juni in Chicago vorgestellt wird. Kernaussagen hat Studienleiter Dr. Donald Williams Parsons vom Texas Children‘s Cancer Center in Houston schon vorab bei einer Web-Pressekonferenz der ASCO zusammengefasst.

„Unsere Erwartung war, dass maximal 10 Prozent der pädiatrischen Tumoren Veränderungen mit potenziellen Zielstrukturen für Medikamente haben“, sagte Parsons.

Parsons weiter: „Diese Annahme basierte auf Daten von Studien zu neu diagnostizierten Tumoren im Kindesalter und Krebserkrankungen bei Erwachsenen. Der vergleichsweise hohe Anteil der Patienten im Kindesalter, denen nach Versagen mehrerer etablierter systemischer Therapien eine zielgerichtete Behandlung nutzen könnte, hat uns positiv überrascht“, sagte Parsons. Das gelte vor allem auch für ZNS-Tumore.

Das National Cancer Institute (NCI) hatte eine überregionale Forschergruppe gebildet, um nach neuen Zielstrukturen bei refraktär-rezidivierten pädiatrischen Tumoren zu suchen (NCI-COG Pediatric MATCH Study). „Im Zeitraum von nur eineinhalb Jahren, nämlich von Juli 2017 bis Dezember 2018, haben wir 422 Patienten im Alter von maximal 21 Jahren rekrutieren können“, sagte Parsons.

Analysen von 160 Genen

Von 357 gab es Daten aus DNA- und RNA-Analysen auf insgesamt 160 Gene. Die kompletten molekularen Untersuchungen hätten median 15 Tage gedauert. „Das ist für eine therapeutische Entscheidung ein vernünftiger Zeitraum“, so der pädiatrische Onkologe.

Die Patienten waren median 13 Jahre alt. 24 Prozent der Malignome waren ZNS-Tumore, 71 Prozent andere solide Tumoren und 5 Prozent Lymphome oder histiozytäre Neoplasien. 29 Prozent der Malignome hatten Alterationen mit Zielstrukturen für Medikamente und 24 Prozent solche, zu denen 10 ausgewählte Substanzen passten, die entweder zugelassen oder mindestens in der Phase-2-Prüfung waren.

Allein 40 Prozent der ZNS-Tumore hatten medikamentös ansteuerbare genetische Veränderungen. Am häufigsten waren Mutationen in RAS-BRAF-, SMARCB1-, NF1- und ALK-Genen. 10 Prozent der Studienteilnehmer seien bereits in einem neuen Therapieprogramm. „Die Studie belegt, dass das Potenzial der Präzisionsmedizin auch bei schwer zu behandelnden, pädiatrischen Tumoren längst nicht ausgeschöpft ist“, lautete Parsons‘ Fazit.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sie fragen – Experten antworten

Sollte bei Brustkrebs gegen COVID-19 geimpft werden?

Zahlen von vfa und IGES

Krebsmedikamente bleiben innovativ – und teuer

Das könnte Sie auch interessieren
Praxisfall im Podcast: Atemwegsinfekt

© Bionorica SE

Phytoneering-Akademie

Praxisfall im Podcast: Atemwegsinfekt

Anzeige | Bionorica SE
Antibiotika – Fluch und Segen

© Bionorica SE

Podcast

Antibiotika – Fluch und Segen

Anzeige | Bionorica SE
Brauchen wir noch Antibiotika?

© deepblue4you | iStock

Content Hub

Brauchen wir noch Antibiotika?

Anzeige | Bionorica SE
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München

Chronisch kranke Kinder

Mangelernährung frühzeitig erkennen und konsequent angehen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Danone Deutschland GmbH, Frankfurt/Main
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Daten aus Wales

Infarktrisiko steigt offenbar auch nach Harnwegsinfekt

Einstufung in den Pflegegrad

Pflegebegutachtung: Wann hausärztlicher Rat gefragt ist

Lesetipps
Ein Geldschein liegt in einer Mausefalle.

© photo 5000 / stock.adobe.com

Knackpunkt Selbstzahlerleistungen

Der richtige Umgang mit IGeL-Fallen

„Nicht jeder Mensch ab 70 wird künftig Statine nehmen, aber es werden mehr als bisher sein“, prognostiziert Kollegin Erika Baum von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin.

© Rafal Rutkowski / stock.adobe.com

„Erheblicher zusätzlicher Beratungsbedarf“

Statine: Was der G-BA-Beschluss für Praxen bedeutet

Stethoskop auf Geldmünzen

© oppoh / stock.adobe.com / Generated by AI

EBM-Abrechnung 2026

Vorhaltepauschale 2.0: Bei 10 Kriterien ist für jeden was dabei