Gen SCN11A

Mutation war Ursache von Schmerzfreiheit

Forscher analysierten das Exom eines schmerzunempfindlichen Mädchens.

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JENA. Jenaer Forscher haben eine Gen-Veränderung entdeckt, die durch eine Überaktivität in Natriumkanälen schmerzunempfindlich macht.

Sie analysierten das gesamte Exom eines schmerzunempfindlichen Mädchens und seiner Eltern, also alle Abschnitte des Genoms, die Proteine verschlüsseln, hat das Uniklinikum Jena berichtet. Beim Vergleich hätten sie eine Mutation im Gen SCN11A identifizieren können.

"Die Mutation war nur bei dem Kind vorhanden, muss also spontan entstanden sein", wird Privatdozent Dr. Ingo Kurth vom Institut für Humangenetik am Uniklinikum Jena zitiert.

Bei der Untersuchung weiterer Patienten mit angeborenen Schmerzempfindungsstörungen stießen die Humangenetiker in Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem In- und Ausland auf exakt dieselbe Mutation bei einem schwedischen Patienten.

Beide Patienten hatten eine sehr ähnliche Krankengeschichte - außer an der fehlenden Schmerzwahrnehmung litten beide an übermäßigem Schwitzen, leichter Muskelschwäche und Störungen der Darmtätigkeit.

Gemeinsam mit Biophysikern des Zentrums für Molekulare Biomedizin der Jenaer Uni rekonstruierten die Wissenschaftler den Mechanismus der Erkrankung: Das Gen SCN11A enthält die Information für den Natriumkanal NaV1.9, der bei der Schmerzweiterleitung zum ZNS von entscheidender Bedeutung ist.

"Die Mutation steigert die Aktivität des NaV1.9-Kanals, was paradoxerweise die Ausbildung von Aktionspotenzialen und in der Folge die Signalübertragung ins Gehirn eingeschränkt", so Dr. Enrico Leipold, Erstautor der Studie (Nature Genetics 2013; 45: 1399-1404).

Diesen Ablauf konnten die Wissenschaftler im Tiermodell nachweisen. Sie schleusten die entsprechende Mutation in das Genom von Mäusen ein und verglichen das Schmerzempfinden dieser Tiere mit dem von Kontrollmäusen.

Die Analyse zeigte im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Institut für Neurophysiologie des UKJ eine eingeschränkte Schmerzempfindung der genveränderten Mäuse sowie ähnliche Verletzungsmuster wie bei den Patienten. "Allerdings war das Ausmaß der Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen bei den Mäusen weit geringer als bei den Menschen mit verändertem SCN11A-Gen", betont Kurth in der Mitteilung.

Der Zusammenhang zwischen der angeborenen Unfähigkeit, Schmerz zu empfinden, und einer Fehlfunktion von Natriumkanälen sei schon in früheren Untersuchungen belegt worden, berichtet das Universitätsklinikum Jena.

Veränderungen in einem anderen als dem hier beschriebenen Kanal führten dort aber zu einer verringerten Kanalaktivität.Dass auch die erhöhte Aktivität eines Natriumkanals die Schmerzwahrnehmung hemmen kann, ist neu, und ermöglicht weitere Einblicke in die Funktionsweise der Schmerzempfindung.

"Unser Ergebnis macht den SCN11A-Kanal auch als Angriffsziel für neue Schmerzmedikamente interessant", wird Kurth zitiert. "Dazu müssten wir ihn aber selektiv und zielgerichtet beeinflussen können und das kann sich außerordentlich schwierig gestalten." (eb)

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