Experten: Schmerztherapie gehört als Pflichtlehrfach ins Medizinstudium

Deutschland verfügt über eine exzellente Schmerzforschung. Bei seinen Medizinstudenten kommt das Wissen aber zu wenig an.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

BERLIN. Die Situation ist kurios: Immer mehr Bundesbürger leiden an chronischen Schmerzen. Nach Angaben der Initiative "Koalition gegen den Schmerz", der neben der Deutschen Schmerzliga weitere Fachverbände und Patientenorganisationen angehören, sind heute bereits rund 15 Millionen Menschen betroffen. Schmerz ist für sie zum ständigen Begleiter geworden, und die Arztpraxen sind voll mit diesen Patienten. Trotzdem ist Schmerztherapie bislang kein eigenständiges Pflichtlehr- und Prüfungsfach für angehende Mediziner in Deutschland.

Für Schmerzexperten wie Professor Rolf-Detlef Treede, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes, ist das ein unhaltbarer Zustand. "Wir können es uns nicht leisten, dass Patienten über Jahre von einem Arzt zum nächsten gehen, weil ihre Schmerzen nicht adäquat diagnostiziert und behandelt werden", sagt Treede.

Schmerz kenne viele Auslöser. Ursächlich könnten Entzündungen, Verletzungen oder geschädigte Nervenbahnen sein. Das, so Treede, bedeute aber auch: "Jeder Patient muss mit seiner Schmerzart individuell behandelt werden." Werde der Schmerz nicht frühzeitig erkannt und gelindert, werde daraus eine Dauerpein. "Deshalb ist es wichtig, dass angehende Ärzte in ihrem Medizinstudium Kenntnisse über Diagnose und Therapie von chronischen Schmerzen erwerben." Andernfalls seien die Chronifizierung von Schmerzen bei den Patienten und hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem "vorprogrammiert", warnt Treede. Die Palliativmedizin habe im Zuge des 2009 verabschiedeten "Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus" den Sprung in die Approbationsordnung für Ärzte geschafft. Leider habe es der Gesetzgeber versäumt, auch die Schmerztherapie zu berücksichtigen, so Treede.

"Deutsche Schmerzforschung ist weltweit an der Spitze, aber das Wissen kommt nicht bei den Studenten und damit bei den Patienten an", kritisiert Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. Immer wieder frage er unter Kolleginnen und Kollegen nach, wer von ihnen denn etwas über Chronifizierungs-Mechanismen im Studium gelernt habe. "Vom Assistenzarzt bis zum Chefarzt: Keiner hatte etwas gelernt, auch heute noch nicht. Das ist einfach enttäuschend."

Hoffnungen setzt Müller-Schwefe nun auf Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Der habe Medizin studiert und wisse daher sehr genau: "Schmerztherapie war auch bei ihm kein Thema." Und das, obwohl in Praxen und Kliniken immer mehr Schmerzpatienten gezählt würden.

Lesen Sie dazu auch: Rabattverträge in der Kritik

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kommentar zur Niederlassungsförderung im Saarland

Landarztprogramme sind nur ein „Nice-to-have“

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kognitive Funktionen bei Gewichtsabnahme

Adipositas: Gewichtsverlust könnte das Gehirn verjüngen

Lesetipps
Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“