Schleswig-Holstein

Notdienst-Ärzte – Flensburg setzt jetzt auf Zwang

Das Betteln um Freiwillige hat nicht genützt. Ab Juli werden im Kreis Vertragsärzte verpflichtet.

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BAD SEGEBERG. Keine Verpflichtung zum Notdienst: Für junge Ärzte ist das seit Jahren ein wichtiges Argument für die Niederlassung in Schleswig-Holstein. Denn die meist unbeliebten Bereitschaftsdienste an den Wochenenden werden im Norden ausschließlich von Freiwilligen geleistet – bislang.

Am 1. Juli wird im Kreis Flensburg erstmals seit zehn Jahren wieder eine Zwangsverpflichtung für niedergelassene Ärzteeingeführt, weil sich nicht mehr genügend Freiwillige finden.

Rauf mit dem Notdiensthonorar?

In einigen weiteren Kreisen zeichnet sich eine vergleichbare Entwicklung ab. Damit Ärzte im Norden nicht wieder flächendeckend zwangsverpflichtet werden müssen, denkt die KV derzeit über eine kräftige Erhöhung der Notdiensthonorare und weitere Anreize nach. Ziel ist, die Motivation für die Dienste in den vielen Anlaufpraxen und im fahrenden Dienst zu erhöhen.

Noch ist offen, in welcher Größenordnung die Honorare steigen werden. Fest steht aber, dass die Abgeordnetenversammlung hinter den Überlegungen des Vorstands steht. Bisher erhalten die Ärzte für eine Stunde Dienst in den Anlaufpraxen 50 Euro. Ein erstes Stimmungsbild in der jüngsten Abgeordnetenversammlung zeigte, dass eine Anhebung um 50 Prozent auf 75 Euro als realistisch eingeschätzt wird.

Deutlich wurde auch schon, dass eine Anhebung nach Hamburger Vorbild – dort hatte man wie berichtet kürzlich auf Stundensätze von 100 Euro und mehr angehoben – als nicht bezahlbar angesehen wird. Die Abgeordneten werden sich in einer der nächsten Sitzungen erneut mit dem Thema beschäftigen, dann soll auch über die Bezahlung im fahrenden Notdienst diskutiert werden.

Fest steht, dass die Personalsituation in einigen Kreisen prekär ist. Beispiel Flensburg: Dort hatten sich von den 247 grundsätzlich verpflichteten Ärzten zuletzt nur noch 27 für den Freiwilligenpool gemeldet, aus dem die Dienste besetzt werden. Folge: Die Poolärzte müssen zu viele Dienste leisten.

Abwärtsspirale dreht sich

KV-Chefin Dr. Monika Schliffke sieht die freiwilligen Ärzte "an der Grenze der Überforderung und Zumutbarkeit". Dabei wurde durch die Notdienstbeauftragten vor Ort viel versucht, um die Kollegenzahl im Freiwilligenpool zu erhöhen – erfolglos.

"Jeder verlässt sich irgendwann auf jeden, bis diese Abwärtsspirale den Punkt erreicht, an dem wir einhaken müssen. Und der ist in Flensburg erreicht", so Schliffke. Künftig soll ein Dienstplan mit Freiwilligen für ein Jahr im Voraus erstellt werden.

Die Lücken werden dann über ein Losverfahren mit zwangsverpflichteten Ärzten besetzt. In der Abgeordnetenversammlung wurde deutlich, dass sich nicht jeder spezialisierte Arzt dafür als qualifiziert einschätzt. Ärzte mit Erfahrung im Notdienst versuchten, diese Bedenken auszuräumen: "In aller Regel geht es um Basismedizin."

Die KV nimmt die Bedenken dennoch ernst und wird Schulungen anbieten, die eine Auffrischung des für den Notdienst erforderlichen Wissens ermöglichen.

Auch über die Situation von Ärztinnen im Notdienst wird nachgedacht. Der Wunsch, Frauen im Notdienst mehr Sicherheit zu bieten, wurde bereits diskutiert. Angeregt wurde etwa, Ärztinnen im fahrenden Dienst einen Fahrer zur Seite zu stellen.

Ein weiterer Punkt ist die Belastung am Praxistag nach der Bereitschaft. Hierzu wurde vorgeschlagen, dem Arzt nach dem Tag des Dienstes einen Entlastungsassistenten an die Seite zu stellen. (di)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Notdienst attraktiv machen

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