Kommentar – Kommentar zum Termineservice- und Versorgungsgesetz

Ein Gesetz mit Kollateralschäden

Minister Spahn dürfte sein TSVG als großen Erfolg feiern. Für viele andere bringt es hingegen enorme Kollateralschäden.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

Endlich, die Messe ist gesungen. Der Bundestag hat das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verabschiedet, im Bundesgesetzblatt kann sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bald sein Opus nochmals in Ruhe durchlesen. Und dann Haken dran? Leider nein.

Bei der Gesetzgebung zum TSVG ist ein beträchtlicher Kollateralschaden entstanden. Vertragsärzte beklagen sich über immer kleinteiligere Vorgaben ebenso wie Kassenvertreter. Dabei geht es um mehr als das übliche Geklapper von Interessengruppen.

In Spahns wiederholten Interventionen wird nicht nur die Ungeduld des jungen Ministers erkennbar, der sich gerne als Macher sieht. Das Problem wurzelt tiefer. Spahn erkennt in der Selbstverwaltung offenbar primär eine staatliche Auftragsverwaltung.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommt nicht in die Gänge? Spahn reorganisiert kurzer Hand die gematik und verschafft seinem Haus als Staatskommissar mit 51 Prozent die Stimmenmehrheit.

Die Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss über einzelne Leistungen – Beispiel Liposuktion – dauern scheinbar endlos? Der Minister lanciert unabgestimmt mit seiner Fraktion einen Änderungsantrag, der einen Bypass um den GBA legen sollte. Statt medizinischer Evidenz entscheidet der Minister selbst – die Eminenz zählt. Spahns verstörte Fraktionskollegen haben den Antrag zwar geräuschlos von der Tagesordnung geräumt.

Einen Teilerfolg erzielte der Minister mit seiner Rammbockmethode schon. Für Patientinnen mit Lipödem Stadium III wird die Liposuktion ab 2020 zunächst befristet Kassenleistung – ein klassischer politischer Deal.

Es gibt offenbar grundsätzlichen Gesprächsbedarf

Menschen aus Westfalen gelten als Sturköpfe. Daher macht der Mann aus Ahaus im Entwurf für das Implantateregister-Gesetz gleich einen neuen Anlauf: Ist eine neue Behandlungsmethode „nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin vertretbar“ und der GBA spurt nicht, dann wird sie halt per Rechtsverordnung zur Kassenleistung.

Gesundheitspolitiker aus Union und SPD dürfen es nicht länger beim leisen Kopfschütteln belassen. Es gibt offenbar einen grundsätzlichen Gesprächsbedarf: Selbstverwaltung steht in Deutschland für gelebte Demokratie und für Staatsferne.

Soll das Gesundheitswesen anders organisiert werden? Soll es staatsnaher werden, damit politische Verantwortung wieder stärker fassbar wird und nicht in den Gremien der Selbstverwaltung verdampft? Der Meinung kann man sein, sollte dann die Konsequenzen eines solchen Systemwechsels aber vom Ende her denken.

Würdiger Platz für eine solche Debatte wäre der Bundestag. Da kann der BMG-Chef dann ganz grundsätzlich Position beziehen – müsste aber auch Antworten auf kritische Fragen liefern.

Lesen Sie dazu auch: Spahns TSVG beschlossen: Koalition ist erfreut – Ärzteschaft verärgert Details: Die Kernpunkte des Termineservicegesetzes Terminservicegesetz: Letzte Chance für die Deutungshoheit Schnellere Arzttermine: Terminservicegesetz beschlossen

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikationstrainer gibt Tipps

Aggressive Patienten: So können Ärztinnen und Ärzte deeskalieren

Lesetipps