Krebsfrüherkennung

Wann gehört eine Leistung in den GKV-Katalog?

Welche Argumente sind entscheidend, damit eine Krebsfrüherkennungsmaßnahme Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kassen wird? Experten haben dazu ganz unterschiedliche Ansichten.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Wie viele der 1,6 Millionen starken Raucher würden an einem Screening teilnehmen und was könnte damit erreicht werden?

Wie viele der 1,6 Millionen starken Raucher würden an einem Screening teilnehmen und was könnte damit erreicht werden?

© Gina Sanders / Fotolia

HAMBURG. Nach welchen Kriterien sollte entschieden werden, ob eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden muss? Wie unterschiedlich die Antworten darauf ausfallen können, zeigte jüngst eine Expertendiskussion am Hamburg Center for Health Economics (HCHE).

Für Johann-Magnus von Stackelberg ist die Sache klar: „Lasst Daten sprechen. Wenn der Nutzen belegt ist, kann eine Früherkennung eingeführt werden und wir beschäftigen uns mit der Frage der Umsetzung.“

Ausschlaggebendes Kriterium für die Entscheidung, ob eine Früherkennungsuntersuchung von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden muss, sei die Mortalität. „Alles andere ist ergänzend“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes in Hamburg.

Kosten und Nutzen abwägen

„Alles andere“ hatten zuvor Professor Tom Stargardt vom Lehrstuhl für Health Care Management der Uni Hamburg und Professor Matthias Augustin, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am UKE in die Diskussion eingebracht: zum Beispiel die anfallenden Kosten und den Nutzen, gemessen an gewonnenen Lebensjahren oder an der Lebensqualität.

Stargardt zeigte am Beispiel Lungenkrebs, wie differenziert die Diskussion zu führen ist. In Deutschland gibt es rund 1,6 Millionen starke Raucher. Wie viele aus dieser Gruppe würden an einem Screening teilnehmen? Wie viele Lebensjahre würden damit gewonnen? Wie sind diese Lebensjahre von der Qualität her zu bewerten?

Bei einer angenommenen 54-prozentigen Teilnahmerate und Kosten von rund 1150 Euro pro Person, haben Berechnungen einer Studie an Stargardts Lehrstuhl ergeben, kämen Kosten von rund 19.000 Euro je gewonnenem Lebensjahr heraus. Bezieht man die Lebensqualität mit ein, erhöhten sich die Kosten auf 30.000 Euro. Ist das viel oder wenig? Zahlen aus anderen Früherkennungsprogrammen zeigen, dass sie sich ungefähr im Rahmen bewegen.

Für das 2008 eingeführte Hautkrebs-Screening fallen derzeit rund 170 Millionen Euro pro Jahr an Kosten an. Augustin machte deutlich, dass das Thema Hautkrebs in der Öffentlichkeit voraussichtlich präsenter wird, denn: „Wir werden eine Zunahme der Neuerkrankungen erleben.“

Obwohl der Bevölkerung die Risiken zunehmend bewusst sind, variieren die Teilnahmeraten je nach Bundesland stark – es gibt ein West-Ostgefälle, das noch nicht erklärt werden kann. „Wir versuchen gerade, das zu verstehen“, sagte Versorgungsforscher Augustin.

Fest steht für ihn aber auch: Versorgt werden muss, bevor solche Fragen beantwortet sind. Im Vordergrund müsse stehen, dass Hautkrebs möglichst früh entdeckt und damit so effektiv wie möglich bekämpft werden kann.

Große Sehnsucht nach Heilung

Dr. Joannes Bruns von der Deutschen Krebsgesellschaft glaubt nicht, dass der belegte Nutzen in Deutschland einziges Kriterium bleiben wird. „Die Sehnsucht, irgendetwas gegen Krebs zu tun, ist riesengroß in der Politik und in der Gesellschaft“, sagte Bruns. Er gab zu bedenken, dass die Kosten für ein Screening im Vergleich zu den Behandlungs- und Therapiekosten bei Krebs „Peanuts“ seien.

Bei der Frage der Umsetzung von Früherkennungsprogrammen verwies von Stackelberg auf das Mammografie-Screening, das ausschließlich in Zentren stattfindet. Mit dieser Entscheidung wurde verhindert, dass die Leistung in einer deutlich höheren Zahl an Praxen erbracht werden kann – was zu mehr Anschaffungen und damit höheren Kosten geführt hätte.

Außer solchen Fragen muss auch noch der digitale Fortschritt berücksichtigt werden. Die Teilnehmer waren sich einig, dass schon in wenigen Jahren Patienten mit Daten aus Apps in die Praxen kommen werden, die die Diagnose Hautkrebs schon vorwegnehmen. Bruns rechnet deshalb dennoch nicht mit sinkenden Kosten, denn: „Der Arzt wird Zeit brauchen, um Patienten die Krankheit wieder auszureden.“

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