Diskussionsrunde

Spahn setzt bei Darmkrebsvorsorge auch aufs Digitale

Eine Erinnerung, die sich automatisch auf dem Smartphone öffnet und den Nutzer ans Impfen oder die Darmkrebsvorsorge erinnert? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kann sich das gut vorstellen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

BERLIN. Um künftig mehr Menschen zur Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge zu bewegen, setzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch auf digitale Medien. „Wo ich hin möchte ist, dass jeder auf seinem Smartphone seine Patientenakte hat, und dass sich dort auch ein Fenster öffnet, das an das Impfen oder an die Darmkrebsvorsorge erinnert – sofern der Nutzer das möchte“, sagte Spahn bei einer Diskussionsveranstaltung seines Ministeriums am Sonntag in Berlin.

Die Veranstaltung fand im Rahmen des von der Bundesregierung ausgerichteten „Tags der offenen Tür“ statt. An der Aktion am vergangenen Wochenende beteiligten sich auch Kanzleramt, Bundespresseamt und 14 Ministerien.

Seit Juli dieses Jahres werden gesetzlich versicherte Männer ab 50 und gesetzlich versicherte Frauen ab 55 Jahren von den Krankenkassen angeschrieben und zur Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge eingeladen. Weitere Einladungen erfolgen mit dem Erreichen des 55., 60. und 65. Lebensjahres – vorausgesetzt, der Versicherte widerspricht dem nicht.

Lieber digital statt Brief?

Bis jetzt erfolgten die Einladungen per Brief, sagte Spahn. „Und der ist im Moment nicht nur so aufbereitet, dass er Lust macht, ihn zu lesen.“ Digitale Medien könnten helfen, hier „leichter zu informieren, aufzuklären und zu ermuntern“. Mithilfe von künstlicher Intelligenz wiederum ließen sich Daten der Krebsforschung besser zusammenführen und auswerten, um mehr Erkenntnisse im Kampf gegen den Krebs zu gewinnen.

Spahn warb für die Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge. „Darmkrebs ist im positiven Sinne ein klassisches Beispiel dafür, dass Früherkennung einen Unterschied machen kann.“ Ein rechtzeitig erkannter Darmkrebs oder eine Vorstufe davon seien gut zu behandeln. Werde der Krebs zu spät diagnostiziert, könnten Ärzte in der Regel kaum noch etwas tun.

Dr. Michael Hoffmeister vom Tumorzentrum Heidelberg betonte, Darmkrebs sei nach Brustkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung in Deutschland. Aktuellen Erhebungen zufolge erkrankten jedes Jahr mehr als 60.000 Menschen daran, rund 25.000 Patienten verstürben.

Vor allem ab dem 50. Lebensjahr steige das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Zu den Risikofaktoren gehörten familiäre Vorgeschichte, Rauchen, hoher Alkoholkonsum, Übergewicht, Bewegungsmangel sowie fettreiche Ernährung gepaart mit dem Verzehr von viel rotem Fleisch.

Auf familiäre Vorgeschichte achten

Lägen Vorerkrankungen in der Familie vor, sei das Erkrankungsrisiko bei Angehörigen um ein zweifaches erhöht, so Hoffmeister. In diesem Fall sei eine Untersuchung auf Darmkrebs auch weit vor dem 50. Lebensjahr ratsam. „Wenn ein Familienmitglied mit 45 Jahren erkrankt ist, empfiehlt sich eine Untersuchung ab 35 Jahren.“

Künftig sei stärker „regelhaft“ danach zu schauen, bei wem es familiäre Vorerkrankungen gebe, betonte Spahn. Jüngere Angehörige könnten dann „gesondert“ über die Notwendigkeit einer Darmkrebsvorsorge informiert werden, so der Minister.

Handlungsbedarf machte auch der Berliner Gastroenterologe Dr. Jens Aschenbeck aus. „Zur Darmkrebsvorsorge kommen noch immer zu wenige.“ In den vergangenen Jahren hätte sich die Zahl der anspruchsberechtigten Versicherten, die sich hätten untersuchen lassen, bei „30, 35 Prozent“ eingependelt. Dabei erwiesen sich Männer als größere „Vorsorgemuffel“.

Ausdrücklich lobte Aschenbeck das Engagement der Felix Burda Stiftung. „Ohne die Aufklärungsarbeit der Stiftung wären die 30, 35 Prozent niemals zustande gekommen.“

Dr. Christa Maar, Mitbegründerin und Vorstand der Felix Burda Stiftung, erinnerte daran, dass das Thema Darmkrebsvorsorge zum Zeitpunkt der Gründung der Stiftung im Jahr 2001 noch „nicht existent“ gewesen sei. „Da die Stiftung zu einem Medienkonzern gehörte, haben wir als erstes gesagt, wir müssen das bekannt machen.“

120.000 Todesfälle verhindert

Der Einsatz habe sich gelohnt, so Maar. Bereits zwei Jahre nach Stiftungsgründung sei der „Darmkrebsmonat März“ ins Leben gerufen worden. Mit Einführung der Darmkrebskoloskopie vor 18 Jahren seien prognostiziert 250.000 Neuerkrankungen und 120.000 Todesfälle infolge von Darmkrebs verhindert worden.

Sorge bereite ihr, so Maar, dass bereits Menschen im Alter von 20 bis 25 Jahren an Darmkrebs erkrankten. Etwa die Hälfte dieser Patienten stamme aus vorbelasteten Familien. „Leider wissen viele junge Menschen gar nicht, dass sie ein solches Risiko haben.“ Aber auch junge Menschen ohne familiäre Vorgeschichte erkrankten inzwischen an Darmkrebs. Dabei sei teilweise noch unklar, warum.

Gefordert seien mit Blick auf bessere Vorsorge auch die Hausärzte, so Maar. Komme ein junger Mensch, der über Blut im Stuhl klage, in die Praxis, sei unbedingt abzuklären, ob es sich dabei um ein Vorzeichen auf Darmkrebs handele.

Lesen Sie dazu auch: Tag der offenen Tür im BMG: Impf-Check im Hause Spahn

Mehr zum Thema

ÖGD-Bundeskongress

Sozial belastete Familien: Schwer erreichbar für Hilfe

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tierexperiment: Neuer Signalweg identifiziert

Essen in Sicht? Die Leber ist schon aktiv!

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer