Praktisches Jahr

Auch Studenten haften für Fehler

Wer haftet eigentlich, wenn ein Medizinstudent im Praktischen Jahr (PJ) einen Behandlungsfehler macht? Es kann durchaus auch den PJler treffen.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Die richtige Entscheidung? Wer seine Grenzen im PJ kennt, kann häufig besser abwägen.

Die richtige Entscheidung? Wer seine Grenzen im PJ kennt, kann häufig besser abwägen.

© [M] Arzt: Peter Atkins / fotolia.com

STUTTGART. "Machen Sie sich bewusst, wo ihre Grenzen im PJ liegen – und halten Sie diese auch ein!" Denn: Wer Grenzen überschreite, kann ernste Schwierigkeiten bekommen, betonte Roland Wehn vor Kurzem in Stuttgart. Der Jurist ist Experte für das Thema Arzthaftung und als Justiziar bei der Deutschen Ärzteversicherung (DÄV) tätig. Häufig erlebe er bei Medizinern im Praktischen Jahr (PJ) große Unsicherheit, was den haftungsrechtlichen Rahmen ihres Arbeitsalltags als angehender Arzt betrifft. Angst und Unsicherheit lassen sich aber eindämmen, ist der Münchner Jurist überzeugt.

Ein Aufklärungsgespräch führen, Arznei geben, Fäden ziehen – nicht selten fällt PJlern Arbeit in die Hände, bei der oft nicht gleich klar ist, ob sie diese überhaupt erledigen dürfen. Worauf Studenten achten müssen, erklärte Wehn bei einem Seminar des Hartmannbundes während der Fachmesse Medizin 2017 in Stuttgart: "Im PJ dürfen die Studenten nur unter ärztlicher Aufsicht und nur auf ärztliche Anweisung tätig werden", sagte der Jurist. Eigenständige Untersuchungen, Behandlungen oder auch Aufklärungsgespräche seien tabu.

Spannungsfeld für PJler

In der Arbeitsrealität kann diese Grenze unter bestimmten Umständen verschwimmen: Personalengpässe seien auch in Krankenhäusern in Deutschland ein weitverbreitetes Phänomen – und daher ist nicht jederzeit ein Arzt zur Stelle. In diesem Spannungsfeld können PJler gegebenenfalls in Schwierigkeiten geraten.

Ein Fall, der zeigt, was passieren kann, sorgte etwa 2011 für Aufsehen: Eine frisch operierte Patientin in einer Mainzer Klinik erhielt von einer Studentin versehentlich ein Narkosemittel – anstelle einer Kochsalzlösung. Die Medizinstudentin war damals als einzige Nachtwache in der Abteilung eingesetzt, heißt es in den Unterlagen zum Fall. Die Patientin fiel ins Koma. Ihr Partner klagte vor Gericht. Das Landgericht Mainz urteilte, dass zwar strukturelle Probleme in der Klinik den Fehler verursacht hätten, aber die Studentin ebenfalls für den Fehler haften muss (Az.: 2 O 266/11). Laut Urteil hat sie ein Mittel verabreicht, über dessen Zusammensetzung sie nicht sicher war.

"Viele PJler sind zuerst der Auffassung, sie seien nicht haftbar, sondern die Klinik und der verantwortliche Arzt – das ist ein Irrglaube", so Wehn. Wer sehenden Auges in ein Problem steuere, müsse dafür in der Regel zumindest einen Teil der Verantwortung übernehmen – auch als Student. "Wenn Sie eine Aufgabe oder einen Dienst übernehmen sollen und dabei keinen ärztlichen Betreuer haben, ist es wichtig, die Grenze zu ziehen. Lehnen Sie den Dienst im Zweifelsfall ab", betonte der Jurist. Wer sich im Vorfeld des praktischen Teils der Ausbildung ausreichend informiere und vorbereite, müsse jedoch keine Furcht bei der Arbeit haben.

Versicherungsstatus prüfen

Vor dem PJ sollte jeder Student seinen Versicherungsstatus prüfen, so Wehn. "Klären Sie, ob Sie eine eigene Berufshaftpflichtversicherung brauchen oder etwa über ihre Ausbildungseinrichtung oder einen Berufsverband geschützt sind", sagte Wehn. Dem Jurist ist wichtig, dass sich Studenten nicht die Freude an der Arbeit nehmen lassen. Der Beruf Arzt sei zwar von Natur aus ein risikobehafteter Beruf, Zwischenfälle wie der in Mainz, kämen aber nur selten vor: "Bei rund 11.000 Studenten, die ich als Justiziar bei der DÄV betreue, kommt es höchstens ein bis zwei Mal im Jahr vor, dass einer von ihnen in größere Schwierigkeiten kommt", berichtete Wehn.

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