Gesundheitskongress des Westens

Die Ambulantisierung braucht andere Rahmenbedingungen

Ambulantisierung heißt nicht, dass Kliniken ambulante Leistungen quasi nebenher erbringen, sind sich Experten einig. Nötig sind passende Rahmenbedingungen für alle Akteure, auch bei der Vergütung.

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Im Zuge der Ambulantisierung sollten sich Krankenhäuser Partner suchen, hieß es beim „Gesundheitskongress des Westens“. Das sei aber alles andere als einfach, da viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schon jetzt genug Patienten hätten.

Im Zuge der Ambulantisierung sollten sich Krankenhäuser Partner suchen, hieß es beim „Gesundheitskongress des Westens“. Das sei aber alles andere als einfach, da viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schon jetzt genug Patienten hätten.

© Marcus Brandt/dpa

Köln. Die politisch gewünschte Ambulantisierung kann nur funktionieren, wenn die Grenzen zwischen den Sektoren überwunden werden, zeigt sich Annette Hempen überzeugt. Notwendig sind für die Verlagerung von Leistungen andere Rahmenbedingungen, sagte die Geschäftsführerin des Ärztenetzes MuM aus Bünde beim „Gesundheitskongress des Westens 2025“ in Köln.

Nach Meinung der stellvertretenden Vorsitzenden von AdA – Berufsverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetze verstehen jedenfalls viele Krankenhäuser Ambulantisierung falsch, wenn sie sich in Zentrum für ambulante Medizin umbenennen oder ein bisschen ambulante Versorgung in einem ausrangierten Schwesternwohnheim machen. „Man kann Prozesse, die im ambulanten Sektor komplett anders sind, nicht über Nacht mal eben mitmachen“, erläuterte sie.

Eine zentrale Voraussetzung für die Ambulantisierung von Leistungen ist für Hempen eine digital gestützte Patientensteuerung. „Ohne Digitalisierung können wir die Patientinnen und Patienten nicht durch unser sehr komplexes System leiten.“

„Wir müssen den Mut zu Innovation und Entbürokratisierung haben“

Netze, MVZ und Kliniken bräuchten in den Regionen mehr Handlungs- und Beinfreiheit, um neue Strukturen aufzubauen, forderte sie. Dafür sei eine Anpassung der Regularien nötig. Weitere Voraussetzung: „Wir müssen den Mut zu Innovation und Entbürokratisierung haben.“

Unabdingbar ist aus ihrer Sicht auch eine Reform des Vergütungssystems. „Sonst wird die Ambulantisierung weder aus dem ambulanten noch aus dem stationären Sektor heraus gelingen“, warnte sie.

Die künftige Vorhaltefinanzierung für die Krankenhäuser wird ein Treiber für die Ambulantisierung, erwartet Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser. Die Pauschalen könnten ein Anreiz für die Häuser sein, rund 20 Prozent der Leistungen nicht mehr zu erbringen. Sie könnten dann in den ambulanten Sektor wandern. Der sei darauf aber nicht vorbereitet.

Zusammenarbeit von Kliniken und Praxen

Ein Teil der Kliniken habe jetzt die Motivation, Patienten fernzuhalten, statt sie wie früher ins Krankenhaus zu bringen. Die Konsequenz: „Wir brauchen neue Strukturen und neue Formen der Zusammenarbeit“, sagte Dehne.

Auch der Klinikmanager ist skeptisch, ob viele Krankenhäuser in der Lage sind, ambulante Leistungen zu erbringen. Er plädierte für die Zusammenarbeit der Sektoren. „Meine Empfehlung an die großen Krankenhäuser: Sucht euch Partner vor Ort!“

Das ist nach der Erfahrung von René Bostelaar, Geschäftsführer des Klinikums Main-Spessart in Lohr, alles andere als einfach. „Wir finden keine Partner“, sagte er. Viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte hätten auch so schon genug Patienten, ihre Praxen seien wirtschaftlich erfolgreich.

Die Finanzierung passt nicht zu neuen Modellen

Obwohl sich der Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren für Kliniken in der Regel nicht lohne – „Ich habe seit 2003 viele MVZ gegründet, aber nicht eines hat schwarze Zahlen geschrieben“ – habe das Klinikum Main-Spessart ein MVZ gegründet. Der Grund sei gewesen, dass man die Arztsitze in der Region erhalten wollte, berichtete er.

Das 220-Betten-Haus ist nach seinen Angaben ein Sicherstellungshaus, in einem Umkreis von 45 Minuten Fahrzeit gibt es keine weitere Klinik. Mit der Gründung eines Gesundheitszentrums, an dem inzwischen 16 Fachärzte arbeiten, versuche das Haus, der Bevölkerung eine Anlaufstelle zu bieten, sagte Bostelaar.

Zudem erprobt der Landkreis in einem Modellprojekt die Kooperation mit der Raiffeisenbank Main-Spessart. In die Videofilialen der Bank in drei Dörfern können sich Menschen auch mit gesundheitlichen Problemen melden und werden digital weitergeleitet. „Wir haben Lösungen, aber die passen überhaupt nicht zu der Finanzierung.“ (iss)

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