Differentialdiagnostik

Eine Mononeuritis multiplex ist ein Warnsignal

Nicht immer stecken hinter einer Neuropathie die üblichen Verdächtigen, wie Diabetes mellitus oder Vitamin-B-12-Mangel. Auch rheumatische Erkrankungen betreffen das periphere Nervensystem.

Von Bianca Bach Veröffentlicht:
3D-Darstellung eines Neurons: Bei Patienten mit Neuropathie gibt es einen „Dschungel“ möglicher Differenzialdiagnosen.

3D-Darstellung eines Neurons: Bei Patienten mit Neuropathie gibt es einen „Dschungel“ möglicher Differenzialdiagnosen.

© koto_feja / Getty Images / iStock

Wiesbaden. Primär Domäne der Neurologen, ist die Differenzialdiagnostik und -therapie von Nervenschmerzen für Kollegen anderer Fachrichtungen herausfordernd. Strukturiert herangehen ist Gold wert, vor allem bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Systemisch-vaskulitische Neuropathien (SVN) erfordern rasch eine immunsuppressive Therapie.

Angesichts des „Dschungels“ möglicher Differenzialdiagnosen sprach Professor Martin Fleck, Rheumatologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach, von einem „zugegebenermaßen echt schwierigen Thema“. Doch „es gibt durchaus Neuropathien, die sind auch für uns als Internisten und Rheumatologen leicht zu erkennen und zu behandeln“, sagte er beim DGIM-Kongress.

Akute Neuropathien zügig abklären!

Etwa 35 Prozent der Neuropathien (NP) bei über 65-Jährigen sind idiopathisch. Mit 19 Prozent folgen diabetische und mit acht und sieben Prozent immunologisch und toxisch bedingte NP. Vorrangig ist die klinische Einordnung. „Die hilft uns auch, zu erkennen, wie akut Handlungsbedarf besteht.“ Sortiert wird auf Basis von Anamnese und klinischer Untersuchung nach:
  • Mononeuritis mit isoliertem Befall eines Neurons,
  • Mononeuritis multiplex mit Befall mehrerer Einzelneuronen und
  • Polyneuropathien (PNP).

PNP sind oft chronisch mit einer Anamnese von mehr als acht Wochen, vornehmlich sensorisch und meist distal-symmetrisch verteilt. Die anderen Neuropathien verlaufen dagegen eher akut bis subakut. Sie verursachen häufig auch Schmerzen und Lähmungen.

Zügig abzuklären sind vor allem akut einsetzende NP. Dahinter kann sich eine primäre oder sekundäre Vaskulitis verbergen. Systemisch-vaskulitische Neuropathien (SVN) haben in der Rheumatologie mit bis zu 85 Prozent die höchste Prävalenz bei Polyarteriitis nodosa, gefolgt von der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis mit bis zu 70 Prozent. Eine sekundäre Vaskulitis als seltene Spätmanifestation einer Rheumatoiden Arthritis (RA) geht bei fast jedem zweiten Patienten mit einer SVN einher, beim Systemischem Lupus erythematodes bei jedem fünften.

Obacht bei Mononeuritis multiplex

Obacht bei Mononeuritis multiplex: „Hier ist Handlungsbedarf gegeben. Die sollten wir unbedingt erkennen, um zügig die entsprechenden diagnostischen Schritte zu veranlassen“, betonte Fleck. Entscheidend ist, neben der allgemeinen Basisdiagnostik mit BSG, CRP, Differenzialblutbild, Elektrolyten, Leber- und Nierenwerten, TSH, HbA1c, Vitamin B 12, Immunfixation und Bence-Jones-Proteinen im Urin die Immunserologie. Bestimmt werden antinukleäre Antikörper (ANA), gegebenenfalls mit weiterer Differenzierung, Doppelstrang-DNS- und anti-Neutrophilen-zytoplasmatische Antikörper (dsDNS-AK, ANCA), Antikörper gegen citrullinierte Peptide (ACPA), Komplementfaktor C3 und C4 und zirkulierende Immunkomplexe. Nicht zu vergessen: eine Untersuchung auf Kryoglobuline. Diese kommen bei lymphoproliferativen Erkrankungen oder Hepatitis-C-assoziierter kryoglobulinämischer Vaskulitis vor. Eine Nervenschädigung ist dabei häufig.

Spätestens jetzt kommt der Neurologe ins Spiel. Fleck: „In den meisten Fällen müssen wir eine neurologische Diagnostik und Elektrophysiologie zur Diagnosesicherung veranlassen.“ Mitunter auch eine Kipptischuntersuchung: „Man muss daran denken, dass auch das autonome Nervensystem betroffen sein kann.“

Biopsien sind besonders wichtig bei Mononeuritis multiplex und den häufig zugrunde liegenden Vaskulitiden. Entnahmestellen sind N. suralis oder N. peronaeus profundus. „Das ist natürlich ein invasiver Eingriff, der überlegt werden muss.“ Zur Sicherung einer Small-Fiber-Neuropathie eignet sich eine Hautbiopsie.

Glukokortikoid-Injektion mitunter „segensreich“

Weniger diagnostische Probleme bereiten nicht-vaskulitische Neuropathien: diverse PNP, Trigeminusneuralgien, Kompressions-NP. Etwa das Karpaltunnelsyndrom, das vor allem bei RA vorkommt. „Segensreich“, weil rasch lindernd, so der Rheumatologe, sei für die Patienten dabei mitunter eine Ultraschall-gesteuerte Glukokortikoid-Injektion in die entzündete Sehnenscheide. „Wir kennen alle Patienten, die primär beim Handchirurgen gelandet sind. Es wurde operiert, und dann hat sich herausgestellt, dass doch eine Entzündung für die Kompression des N. medianus verantwortlich war.“

Entscheidend, auch „darüber, wie die Erkrankung fortschreitet“, ist – wie so oft – die Therapie der Grunderkrankung. Zur ergänzenden symptomatischen Therapie der neuropathischen Schmerzen riet Fleck zur Absprache mit den Neurologen.

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