Gesundheitswirtschaft

Gute Pflege – auch mit einem Drittel weniger Pflegekräfte?

Der Nutzen einer Behandlung für Patienten ist für die Initiative Gesundheitswirtschaft der Maßstab, an dem sich die Gesundheitspolitik orientieren sollte, sagt Professor Jörg Debatin.

Thorsten SchüllerVon Thorsten Schüller Veröffentlicht:
Könnten Roboter das Pflegepersonal von zeitraubenden Aufgaben entlasten?

Könnten Roboter das Pflegepersonal von zeitraubenden Aufgaben entlasten?

© M.Dörr & M.Frommherz / stock

NEU-ISENBURG. Die Gesundheitspolitik sollte sich mehr daran orientieren, welchen Nutzen Behandlungen für die Patienten haben, als Vorgaben zu machen, unter welchen Bedingungen Pflege und Therapien stattzufinden haben. Diese Forderung vertritt der Vorsitzende der Berliner Initiative Gesundheitswirtschaft, Professor Jörg Debatin, im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

„Die Gesundheitspolitik sollte sich am Outcome, nicht am Input orientieren“. Auf diese Formel bringt Debatin die Forderungen des Vereins an die Gesundheitspolitik. Konkret spricht er sich dafür aus, den Patientennutzen stärker in den Fokus zu rücken. So sollten Patienten nach einer Therapie befragt werden, wie zufrieden sie mit der Behandlung waren.

Diese Qualitätsurteile sollten in die Gesamtbewertung der Einrichtungen eingehen, so Debatin. In der Folge sollten dann diejenigen Kranken- und Pflegehäuser belohnt werden, deren Patientenbewertungen besonders positiv ausfallen. „Was gute und was schlechte Pflege ist, sollte nicht der Staat definieren, sondern die Patienten, die diese Behandlung am Ende des Tages erleben“, sagt der Arzt und Wissenschaftler.

Keine Rückwärts-Rollen mehr

Auf der anderen Seite plädiert Debatin dafür, dass die Politik weniger Vorgaben macht, wie und mit welchem personellen und materiellen Einsatz in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gearbeitet wird. Debatin: „Das sehen wir besonders im Bereich der Pflege, wo vorgeschrieben wird, wie viele Fachkräfte pro Bett eingesetzt werden müssen. Hier macht die Gesundheitspolitik aktuell so etwas wie eine Rolle rückwärts.“ Debatin, der in der Vergangenheit auch als Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf sowie als Manager für GE Healthcare tätig war, sieht in diesem Vorgehen eine Innovationsbremse, weil damit diejenigen bestraft würden, die bislang schon innovativ waren, indem sie beispielsweise die Pflege von nicht pflegerelevanten Tätigkeiten entlastet haben.

Das Gleiche gelte für Einrichtungen und Unternehmen, die viel in IT investiert haben, um Prozesse zu verbessern und zu beschleunigen. Als Beispiel verweist Debatin auf die mit Robotern gestützte Versorgung mit Medikamenten. Mit dem ‚unit-dose‘ Verfahren würden die Medikamente für jeden Patienten individuell zusammengestellt. Die Maschine mache im Gegensatz zu Menschen keine Fehler. Gleichzeitig entlaste sie die Pflege, indem die händische Tablettenzuteilung, eine monotone und zeitaufwändige Tätigkeit, wegfalle.

Belohnt würden mit der gegenwärtigen Politik hingegen diejenigen, „die es so wie immer schon machen“ und auf mehr Personal setzten. Das, so der Gesundheitsexperte, werde aber am Ende nicht die Zufriedenheit in der Pflege steigern.

Andererseits räumt Debatin ein, dass der Staat durchaus einen Regulierungsrahmen setzen müsse, vor allem in einem so heiklen Bereich wie Gesundheit. Auch gingen bisherige Maßnahmen der Politik, etwa in der Qualitätssicherung, in die richtige Richtung. „Ich finde es völlig legitim, dass derjenige, der die Rechnung bezahlt, definieren möchte, was bei der Leistung rauskommen soll. Dass also die Qualität sichergestellt und definiert wird, wie gesund und zufrieden der Patient am Ende sein soll.“

IT konsequent einsetzen

Seine Sorge sei aber, „dass wir uns auf ein Input-Kriterium fokussieren, was leicht zu messen ist, das aber dem eigentlichem Outcome nicht gerecht wird.“ Man könne auch mit 15 Pflegekräften auf zehn Betten schlechte Pflege organisieren. Andererseits sei es möglich, mit einem Drittel der Mitarbeiter eine gute Pflege zu organisieren. Die entscheidende Frage dabei sei, wie die Prozesse strukturiert seien, welche IT-Unterstützung es gebe und wie die Tätigkeiten aufgeteilt seien. „Letztlich ist nicht die Menge von Fachpersonal entscheidend für die Qualität von Pflege und Therapien, sondern es sind effiziente Prozesse und der konsequente Einsatz von IT“, sagt Debatin.

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