"415" - Deutschlands erste BSE-Kuh

HÖRSTEN (dpa). Deutschlands erste BSE-Kuh hatte keinen Namen. Die zehnstellige Nummer an der Ohrmarke der Rotbunten endete auf "415", kann sich Züchter Peter Lorenzen noch erinnern.

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Es ist nicht so, daß Lorenzen auf seinem Hof in Hörsten bei Rendsburg eine anonyme Massentierhaltung geführt hätte: Gerade einmal 166 Tiere brachten die Behörden vor genau fünf Jahren aus seinem Stall, töteten sie, vernichteten ihr Fleisch.

Es war der Auftakt eines Eklats, der zwei Bundesminister ihr Amt kostete und die Rinderzüchter in ihre tiefste Krise stürzte. Seit Januar 2001 wurden etwa 380 von 12,5 Millionen geschlachteten Tieren positiv getestet. Jeder vierte von 240 000 deutschen Rinderhaltern gab die Zucht auf.

Am 24. November 2000 erschütterte die Hiobsbotschaft des ersten deutschen Falls von Rinderwahnsinn im schleswig-holsteinischen 120- Seelen-Dorf Hörsten erst Lorenzen - wenige Stunden später dann die Öffentlichkeit. Der Schlachthof hatte die "415" freiwillig testen lassen. "Es war für mich ein Schock, weil sie nie Auffälligkeiten gezeigt hatte." Tiermehl hatte das Rind nicht zu fressen bekommen.

Diagnose später: "Spontanmutation." Drei Tage später war die ganze Herde beim Abdecker, der Stall leer. Mit der zunächst gängigen Tötung des kompletten Bestandes waren 80 Jahre Zucht dahin. "Es war ein Gefühl der Ohnmacht. Man ist den Politikern ausgeliefert." Erst Monate später wurden bei anderen Bauern nur noch Jahrgang und Familie von BSE-Tieren getötet.

"Bovine Spongiform Encephalopathy" - obwohl Millionen Verbraucher sich niemals die Aufschlüsselung von BSE merken konnten, zogen sie im Supermarkt ihre Konsequenzen aus dem Lebensmittelschock. Rind wurde zum Ladenhüter. Der Rindfleischkonsum des Durchschnittbürgers stürzte von 9,6 Kilo im fast ungetrübten Jahr 2000 binnen Jahresfrist auf 6,6 Kilo. Selbst Steakhäuser nahmen plötzlich Pute auf die Speisekarte. 2004 waren es wieder 8,8 Kilo Rind.

Ebenso wie Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) mußte Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) den Sessel wegen Pannen räumen. Funke gab an die Rechtsanwältin und Grünen-Politikerin Renate Künast ab. Bauer Lorenzen hat mit Geld aus dem Tierseuchenfonds eine neue Zucht aufgebaut - eine konventionelle: "Ich hab nix gegen Bio-Bauern", sagt er.

Doch davon könne der Durchschnittslandwirt nicht leben: "In den ersten Wochen der BSE-Krise haben 70 Prozent der Deutschen gesagt, daß sie für Fleisch mehr ausgeben wollen. Dann ist das sehr schnell wieder vergessen worden."

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