Adhärenz bei Anti-CD20-Therapie hoch

Eine Therapie mit Anti-CD20-Antikörpern kommt bei den Patienten offenbar gut an: Die Abbruchraten sind nach schwedischen Registerdaten deutlich geringer als mit vielen übrigen MS-Wirkstoffen.

Von Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Stockholm. Eine B-Zell-depletierende Therapie mit Antikörpern, die sich gegen CD20 richten, war vor der Zulassung von Ocrelizumab nur off-label mit Rituximab möglich. Ist eine solche Off-label-Behandlung in Deutschland problematisch, erfreut sie sich in Skandinavien großer Beliebtheit – sowohl bei MS-Experten als auch bei Patienten. Darauf deuten schwedische Registerdaten, die das Team um Dr. Mathias Granqvist vom Karolinska-Institut veröffentlicht hat (JAMA Neurol 2018, online 8. Januar).

Abbruchrate von drei Prozent

Die Forscher analysierten Angaben zu sämtlichen MS-Kranken, die zwischen 2012 und 2015 in den Regionen Stockholm und Västerbotten erstmals auf eine krankheitsmodifizierende Behandlung eingestellt worden waren. Primär interessierten sie sich dabei für die Abbruchraten. Diese sind bei injizierbaren MS-Mitteln recht hoch. Die Wissenschaftler um Granqvist zitieren Studien, nach denen weniger als die Hälfte der Patienten eine Therapie über zwei Jahre mit injizierbaren Präparaten durchhält. Die Forscher wollten herausfinden, wie gut sich im Vergleich dazu Rituximab schlägt. Das Ergebnis ist überraschend: Mit dem off-label verabreichten Antikörper waren die Abbruchraten mit Abstand am geringsten.

Die Forscher fanden Angaben zu knapp 500 erstmals eingestellten Patienten mit schubförmiger MS. Fast die Hälfte (44 %) erhielt initial Interferone oder Glatirameracetat, 17 Prozent bekamen Dimethylfumarat (DMF), zehn Prozent Natalizumab, drei Prozent Fingolimod und immerhin knapp ein Viertel (24 %) Rituximab. Patienten mit Rituximab hatten im Schnitt etwas stärkere Behinderungen als solche mit injizierbaren Mitteln, aber einen ähnlichen EDSS-Wert wie MS-Kranke unter Fingolimod und DMF. Patienten mit Natalizumab waren im Schnitt etwas jünger und hatten vor der Therapie mehr Schübe als diejenigen unter Rituximab. Die schwedischen Ärzte sahen Rituximab folglich vor allem für Patienten vor, die einen mittelschweren Verlauf zeigten.

Die Abbruchraten – egal ob durch mangelnde Wirksamkeit, Nebenwirkungen oder Schwangerschaft bedingt – unterschieden sich recht deutlich. Nach einem Jahr hatte rund ein Drittel der Patienten mit injizierbaren MS-Mitteln die Behandlung abgebrochen, nach zwei Jahren waren es sogar zwei Drittel. Von den Patienten mit Natalizumab und DMF hielten drei Viertel das erste Jahr durch, immerhin etwa die Hälfte zwei Jahre. Für Fingolimod deutete sich eine ähnliche Kurve wie für die injizierbaren Mittel an, aufgrund der geringen Patientenzahlen ist diese jedoch kaum aussagekräftig. Dagegen hatten von den 120 Patienten mit Rituximab nur fünf die Therapie in den ersten beiden Jahren beendet. Insgesamt betrug die jährliche Abbruchrate unter injizierbaren Mitteln 53 Prozent , unter DMF 32 Prozent, bei Fingolimod 38 Prozent und Natalizumab 29 Prozent, unter Rituximab jedoch nur 3 Prozent.

Abbruch wegen Schwangerschaft

Vier der Rituximab-Patientinnen beendeten die Therapie aufgrund einer Schwangerschaft, ein Patient aufgrund erneuter Krankheitsaktivität. Dagegen standen bei den übrigen Therapien Nebenwirkungen und eine unzureichende Wirkung als Gründe für den Abbruch im Vordergrund; die Natalizumab-Therapie wurde bei einem Drittel der Patienten aufgrund eines positiven JCV-Tests beendet.

Unter Berücksichtigung der Krankheitsschwere und anderer Faktoren gab es keine signifikanten Unterschiede bei der Schubrate zwischen einer Therapie mit Rituximab, DMF, Fingolimod und Natalizumab. Kontrastverstärkende MRT-Läsionen traten unter Rituximab jedoch signifikant seltener auf als unter DMF und injizierbaren Mitteln. Bei den Nebenwirkungen gab es kaum Differenzen, leichtere Beschwerden traten unter DMF und injizierbaren Mitteln etwas häufiger auf.

Da es sich um eine Registeranalyse mit recht geringer Patientenzahl und kurzer Beobachtungsdauer handelt, ist Vorsicht geboten. Rituximab hat als MS-Therapeutikum in Deutschland zudem keine Chance – Erstattungsfragen wären hier im Gegensatz zu Schweden bei einer Off-label-Therapie ein großes Problem. Sollten jedoch neue vollhumanisierten Anti-CD20-Antikörper wie Ocrelizumab und Ofatumumab ein ähnlich gutes Nutzen-Risiko-Profil aufweisen wie Rituximab, könnten diese für viele Patienten eine Bereicherung darstellen.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Mehr zum Thema

DGIM-Kongress

Ulcus cruris venosum erfordert rasche Kompression

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: CHAMPION-NMOSD – Zeit bis zum ersten bestätigten Schub bei Patientinnen und Patienten mit NMOSD (primärer Endpunkt)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [7]

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Mit Ravulizumab Schubfreiheit erreichen

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion von Gilead Sciences beim DÖAK 2025 von links: Dr. Nazifa Qurishi, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Gemeinschaftspraxis Gotenring Köln; Kelly Cavalcanti, HIV-Aktivistin und Referentin für Gesundheit und Empowerment, Köln, und Martin Flörkemeier, Senior Director Public Affairs, Gilead Sciences, München

© Gilead

Unternehmen im Fokus

HIV-Versorgung: Vertrauen in unruhigen Zeiten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

© [M] LASZLO / stock.adobe.com

Komplementinhibition bei generalisierter Myasthenia gravis

Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Älterer Mann mit Gesichtsnervenlähmung aufgrund des Eagle-Syndroms.

© Vladimir Arndt / stock.adobe.com

Kasuistik

Seltene Manifestation eines Eagle-Syndroms

Keine Hürden mehr: Websites sollen künftig so problemlos wie möglich zu erfassen und zu bedienen sein.

© VZ_Art / Stock.adobe.com

Neues Teilhabegesetz geht an den Start

So wird Ihre Praxis-Homepage barrierefrei