Kommentar des Experten

Adipositas-Chirurgie zielt auf das gefährliche intraabdominale Fett

Eingriffe an Magen und Darm haben günstige metabolische Effekte. Diese sind allerdings gegen die Risiken einer Operation abzuwägen.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Grundsätzlich gilt, dass die Adipositas-Chirurgie als Therapie-Option eine absolute Ausnahme bleiben sollte. Auch deswegen, weil die Eingriffe für Patienten nicht unproblematisch sind. So ist mit jeder Operation ein Risiko verbunden. Und in Folge der Eingriffe wird unter Umständen die Aufnahme von wichtigen Nahrungsstoffen wie Vitaminen gestört.

Option für Patienten mit extremer Adipositas

Trotzdem kann bei Patienten mit einem Körper-Masse-Index (BMI) von mehr als 40 kg/m2 eine Adipositas-Chirurgie erwogen werden, wenn andere intensive Maßnahmen zur Gewichtsabnahme über längere Zeit nicht gegriffen haben. Nach den Leitlinien ist ein BMI über 40 eine Indikation für den Eingriff. Davon allein sind in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen. Eine weitere Indikation ist nach den Leitlinien ein BMI über 35 plus Komorbiditäten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Gelenkerkrankungen. Hier wird von metabolischer Chirurgie gesprochen, da durch die Eingriffe Stoffwechselveränderungen offensichtlich auch unabhängig von der Gewichtsreduktion erreicht werden.

Abzugrenzen sind Eingriffe wie Liposuktion, die direkt auf das subkutane Bauch- oder Hüftfett zielen und bei denen mehrere Kilogramm entfernt werden. Diese bieten metabolisch keine Vorteile, denn damit wird ausschließlich subkutanes Fett beseitigt. Das gefährliche intraabdominale Fett bei androider Stammfettsucht wird nicht eliminiert.

Bei der Adipositas-Chirurgie wird - etwa mit Magen-Bypass oder Magenband - der Magen verkleinert, damit die Patienten bei Mahlzeiten schnell ein Sättigungsgefühl bekommen. Die Verkleinerung von Nahrung resorbierenden Flächen durch die Magen- oder Darmoperationen hat erhebliche Auswirkungen auf das Körpergewicht.

Welche metabolischen Folgen sind von einer solchen Operation zu erwarten? Anders als bei einer direkten, Fettgewebe eliminierenden Operation, bei der nur subkutanes Fett beseitigt wird, wird etwa nach einer Magen-Bypass-Operation durch die verminderte Nahrungszufuhr der überwiegende Teil der Fettmengen des Körpers abgebaut - also auch das intraabdominelle Fett.

Bei Diabetikern kann häufig Insulin abgesetzt werden

Das ist natürlich ein erheblicher metabolischer Vorteil, weil nunmehr bei insulinbedürftigen Patienten durch die Reduzierung der Insulinresistenz und der Insulin benötigenden Gewebemast die Stoffwechselsituation sich stark verbessern kann. Das bedeutet, dass Insulin spritzende Patienten häufig auf orale Antidiabetika oder eine alleinige Ernährungstherapie umgestellt werden können. Diabetes-Patienten, die vorher mit oralen Antidiabetika behandelt waren, benötigen jetzt meist gar keine Diabetesmedikamente mehr.

Und für alle Diabetiker gilt, dass mit der Abnahme des Körperfettes auch Risikofaktoren wie Hypertonie und Dyslipoproteinämie günstig beeinflusst werden. Gerade für die Hypertonie hat zu gelten, dass nicht nur - wie manchmal vermutet wird - allein der geringere Umfang des Oberarmes zu niedrigeren Blutdruckmesswerten führt, sondern dass es sich wirklich um eine Minderung des Blutdruckes handelt.

Dass die Dyslipoproteinämie - vor allem die Hypertriglyzeridämie - günstig beeinflusst wird, ist bei der Gemeinsamkeit der "Störungen des Fettstoffwechsels bei Adipositas und Dyslipoproteinämie" nicht verwunderlich. So gesehen kann man bei der Entwicklung der metabolischen Chirurgie von Fortschritten sprechen, die es im Vergleich zu möglichen Nachteilen abzuwägen gilt.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Blutzuckervariabilität

Wie die Time Below Range das Diabetes-Management verbessert

Vor der Ferienzeit

Beratungsfall Reisemedizin: Worauf es im Patentengespräch ankommt

Lesetipps
Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Eine Frau liegt auf dem Sofa und hält sich den Bauch.

© dragana991 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schmerzerkrankung

Endometriose-Leitlinie aktualisiert: Multimodale Therapie rückt in den Fokus