Androgene bei Frauen - Studien stecken noch in den Kinderschuhen

Nicht nur Männer, auch Frauen können von einem Androgenmangel betroffen sein: etwa nach einer Ovarektomie oder bei einer Nebennierenrinden-Insuffizienz. Bei Symptomen, die auf einen Mangel hinweisen, werden Serumwerte für Testosteron, DHEA und Androstendion bestimmt und dann wird gegebenenfalls therapiert, sagt Dr. Cornelia Jaursch-Hancke von der Klinik für Diagnostik in Wiesbaden im Gespräch mit Christina Ott.

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Forschung und Praxis: Androgenmangel, also ein Zuwenig an Hormonen wie Testosteron, Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Androstendion, ist ja ein Stichwort, das man eher mit Männern in Verbindung bringt. Wie häufig kommt er bei Frauen vor?

Dr. Cornelia Jaursch-Hancke: Die wissenschaftlichen Untersuchungen dazu stecken leider noch in den Kinderschuhen. Daher gibt es noch keine genauen Daten, wie viele Frauen konkret unter einem Mangel an Androgenen leiden.

FuP: Ein Problem dabei ist ja, daß Frauen mit Androgenmangel - ebenso wie betroffene Männer - vor allem unspezifische Symptome haben ...

Jaursch-Hancke: Ja, eines der Kernsymptome ist ja eine mangelnde Libido, also weniger Interesse an Sexualität. Dieses Thema wird von den Patientinnen allerdings selten angesprochen. Oft fühlen sich die Patientinnen auch müde, matt, kraftlos, und nicht selten haben sie Depressionen.

FuP: Welche Ursachen kann ein Androgenmangel-Syndrom bei Frauen denn haben?

Jaursch-Hancke: Androgene werden bei Frauen in der Nebennierenrinde und im Eierstock gebildet.

Eine Ursache eines Androgenmangels kann somit eine Ovarektomie sein, also eine primäre Ovarialinsuffizienz. Bei diesen Patientinnen fallen die Testosteron- und Androstendion-Werte im Mittel um 50 Prozent ab. Eine sekundäre Ovarialinsuffizienz tritt bei Patientinnen mit Hypophyseninsuffizienz auf.

Außerdem betroffen sind Frauen mit primärer Nebennierenrinden-Insuffizienz, da ja auch die Nebenniere eine Quelle der Androgenproduktion ist, Stichwort Morbus Addison. Hier wissen wir, daß der Ersatz von Androgenen wie DHEA zu einer Besserung der Androgenmangel-Symptome führt.

Dann gibt es noch Mangel-Zustände, die durch Medikamente wie Glukokortikoide oder Östrogene ausgelöst werden. Hier werden die Eierstöcke und auch die Nebenniere supprimiert.

FuP: Bei Männern weisen zum Beispiel erniedrigte Testosteron-Serumwerte von weniger als 12 nmol / l auf einen Mangel hin. Wie läßt sich bei Frauen ein Androgenmangel im Labor nachweisen?

Jaursch-Hancke: Auch hier gibt es Referenzwerte, die aber je nach Labor und abhängig von der angewandten Methode unterschiedlich sein können. In der Endokrinologie ist es allerdings nicht immer so einfach, Mangelzustände ausschließlich an Laborwerten festzumachen. Es gibt Frauen, die haben niedrige Testosteron-Werte und keinerlei Symptome. Und es gibt andere mit ganz normalen Testosteron-Werten, die eben unspezifische Symptome wie Müdigkeit oder mangelnde Libido haben.

Dies hängt wahrscheinlich auch vom individuellen Rezeptorstatus ab, den man bisher leider noch nicht bestimmen kann.

FuP: Wann stellen Sie die Indikation zu einer Androgen-Substitution? Messen Sie immer die Spiegel sowohl von Testosteron und DHEA sowie Androstendion, oder reicht es, den Spiegel nur eines dieser Hormone zu bewerten? Wenn ja, welches Hormon ist am aussagekräftigsten?

Jaursch-Hancke: Bei Symptomen, die auf einen Mangelzustand hinweisen, werden alle Androgen-Spiegel bestimmt. Wichtig ist besonders der Verlauf unter Therapie.

FuP: Wie geht man weiter vor, wenn man diejenigen Patientinnen identifiziert hat, bei denen ein Therapieversuch sinnvoll erscheint?

Jaursch-Hancke: Bei Testosteron-Mangel bieten sich dermale Applikationen, also Gele oder Pflaster, an. Bei Spritzen besteht die Gefahr der Überdosierung. Generell sollte vorsichtig dosiert werden, denn Frauen haben viel niedrigere Androgen-Werte als Männer. Ein spezielles Testosteron-Präparat für Frauen gibt es noch nicht. Man muß hier mit den für Männer zugelassenen Applikations-Formen auskommen.

DHEA in Tablettenform kann in der Apotheke auf Rezept hergestellt und über das Internet bezogen werden. Diese Produkte aus dem Internet sind allerdings nicht ganz unproblematisch. Es ist bekannt, daß die DHEA-Mengen stark variieren. Das heißt, es ist nicht immer drin, was draufsteht - hier sollte man schon sehr kritisch sein.

FuP: Zu welchen unerwünschten Wirkungen kann es bei einer Androgen-Überdosierung kommen?

Jaursch-Hancke: Es kann sich Akne entwickeln und vermehrter Haarwuchs an unschönen Stellen wie im Gesicht. Reduziert man die Dosis, gehen die Symptome wieder zurück.

FuP: Wie lange sollte ein Therapieversuch dauern? Was passiert, wenn sich darunter zwar die Hormonspiegel normalisieren, die Symptome aber nicht verschwinden? Wird dann die Hormontherapie fortgeführt oder abgesetzt?

Jaursch-Hancke: Spätestens nach einem halben Jahr sollte man überprüfen, ob die Androgen-Therapie zu einer Besserung der klinischen Beschwerden geführt hat. Falls dies nicht der Fall ist, müssen die Hormone abgesetzt und es muß nach einer anderen Ursache für die Beschwerden gesucht werden.

Das Ansprechen und die Dosierung sollten von einem Hormonspezialisten regelmäßig, am besten vierteljährlich, überprüft werden.

FuP: Gibt es Kontraindikationen gegen eine Hormonsubstitution?

Jaursch-Hancke: Da Hormone ja metabolisiert werden, sind sie zum Beispiel bei Frauen mit hormonabhängigen Tumoren tabu. DHEA etwa wird verstoffwechselt zu Östrogen und zu Testosteron. Eine Frau mit östrogenabhängigem Brustkrebs sollte kein Präparat bekommen, durch das vermehrt Östrogene produziert werden.

FuP: Wäre es sinnvoll, zum Beispiel DHEA routinemäßig im Klimakterium einzusetzen?

Jaursch-Hancke: Nein. Man kann nicht davon ausgehen, daß ältere Frauen grundsätzlich einen Androgenmangel haben. Bei Frauen ab 50 werden zwar die Östrogene immer weniger. Aber bei den Androgenen ist dies nicht so, hier gibt es keinen klaren Schnitt in der Menopause, ab dem die Androgen-Spiegel abnehmen.

Frauen können im Klimakterium durchaus genügend männliche Hormone haben, dies muß jedoch individuell entschieden werden.

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