Medizinnobelpreis

Ausgezeichnete Krebstherapie längst Standard

In der Onkologie hat sich die Immuntherapie mit Checkpointhemmern als vierte Säule zu Operation, Bestrahlung und Chemotherapie gesellt. Zu Recht wurden deshalb die Wissenschaftler, die das Prinzip erkannt und für die Therapie nutzbar gemacht haben, mit dem diesjährigen Medizinnobelpreis geehrt.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

WIEN. Es war nur kurz nach der Ankündigung, dass der diesjährige Medizinnobelpreis für die Entdeckung einer Krebstherapie durch Checkpointhemmung vergeben wurde, als dies beim Krebskongress der deutschsprachigen Hämatologen und Onkologen in Wien von einem Lungenkrebsexperten zu Beginn seines Vortrags aufgegriffen wurde.

So war denn auch die Checkpointhemmung ein zentrales Thema auf dem Kongress. Das macht deutlich, wie rasch die Entdeckungen der Professoren Dr. James P. Allison aus Houston in Texas und und Dr. Tasuku Honjo aus Kyoto in Japan zum Prinzip der Checkpointhemmung die Krebstherapie – auch bei Lungenkrebs – bereits verändert haben und diese Immuntherapie Einzug in den klinischen Alltag gehalten hat. Und das in so kurzer Zeit.

Keine Eintagsfliege

Denn was mit ersten Erfolgen in der Behandlung von Patienten mit metastasiertem Melanom Anfang der 2010er-Jahre angefangen hatte, war keine Eintagsfliege, sondern eine Revolution.

Damit wurde etwas erreicht, was bis dahin unmöglich erschien: Durch die Behandlung mit Ipilimumab lebten mehr als 20 Prozent auch noch nach mehr als vier Jahren.

Inzwischen lebt nach zehn Jahren noch jeder fünfte mit Ipilimumab behandelte Patient. Nach der Zulassung von Ipilimumab, einem Antikörper gegen den von Allison erforschten Rezeptor CTLA-4, im Jahr 2011 in den USA für die Therapie beim metastasierten Melanom folgten schon bald die Zulassungen für Antikörper, die den "Checkpoint" PD-1 – von Honjo entdeckt – oder dessen Liganden PD-L1 blockieren.

Diese Eiweißmoleküle auf der Oberfläche von T-Lymphozyten beziehungsweise Krebszellen und antigenpräsentierenden Zellen sorgen eigentlich dafür, dass die Aktivierung von T-Zellen nicht aus dem Ruder läuft und keine autoimmunen Reaktionen ablaufen.

Abwehr von Krebszellen

Dadurch wird allerdings auch die Abwehr von Krebszellen unterbunden. Mit den Checkpointhemmern gelingt es nun, diese "Bremsen" zu lösen und das patienteneigene Immunsystem für die krebstherapeutischen Zwecke zu nutzen. Überraschend war die Wirksamkeit der Immuntherapie beim Lungenkrebs, weil dieser ursprünglich als nicht immunogen betrachtet wurde.

Neben Stahl, Strahl und Chemotherapie ist die Immuntherapie mit Checkpointhemmern nun zur vierten Säule der Krebsbehandlung avanciert. Von der europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen wurden inzwischen die sechs Checkpointhemmer Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab, Atezolizumab und Avelumab sowie zuletzt – im September 2018 – Durvalumab.

Die Antikörper sind alle – außer Ipilimumab – gegen PD-1 beziehungsweise PD-L1 gerichtet. Indikationen sind je nach Antikörper außer dem Melanom das nicht kleinzellige Lungenkarzinom, das Urothel-, Merkelzell- und Nierenzellkarzinom sowie das klassische Hodgkin-Lymphom und Kopf-Hals-Tumoren.

Nicht ohne unerwünschte Wirkungen

Je nach Indikation wird ein Checkpointhemmer als Monotherapie oder in Kombination etwa mit einer Chemotherapie verabreicht. Wegen der unterschiedlichen Ansatzpunkte setzen Onkologen auch auf die Kombination von Ipilimumab mit einem PD-1-/PD-L1-Hemmer.

Ein Beispiel ist die Kombination mit Nivolumab in der Melanomtherapie, die bereits zugelassen ist. In mehr als 100 klinischen Studien werden zudem mindestens 20 weitere Checkpointhemmer unter anderem zur Therapie beim Mamma-, Prostata-, Ovarial-, Kolorektal- und Pankreaskarzinom geprüft, zum Beispiel Tremelimumab und Pidilizumab bei unterschiedlichen Krebserkrankungen sowie Enoblituzumab beim Melanom und Prostatakarzinom.

Die Immuntherapie mit Checkpointhemmern ist, was beim Lösen der an das Immunsystem gelegten Zügel zu erwarten war, nicht ohne unerwünschte Wirkungen, die sich von denen unter einer Chemotherapie unterscheiden. Sie resultieren aus der Hyperaktivität der T-Zellen und können fast jedes Organ betreffen, etwa Verdauungstrakt, Leber, Haut, Nervensystem und endokrines System.

Sorgfältiges Monitoring nötig

Das erfordert während der Behandlung ein sorgfältiges Monitoring – nicht nur in der Anfangsphase der Therapie – und möglicherweise eine systemisch hochdosierte Therapie mit einem Kortikosteroid.

Es ist also abzuklären, ob etwa Diarrhö, erhöhte Stuhlfrequenz, blutiger Stuhl, Leberfunktionstest-Erhöhungen, Hautausschlag und Endokrinopathie tatsächlich Zeichen einer immunvermittelten unerwünschten Wirkung der Checkpointhemmer-Therapie sind.

Allison, der 2015 in Deutschland mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet wurde, erinnerte jetzt bei einer Konferenz am MD Anderson Cancer Center in Houston aus Anlass der Bekanntgabe durch das Nobelkomitee daran, dass nicht alle Krebspatienten auf eine Therapie mit einem Checkpointhemmer ansprechen. Beim Melanom liege der Anteil bei 60 Prozent, bei anderen Tumoren darunter. Es werde aber versucht, die Ansprechrate deutlich zu erhöhen.

Und: Das Indikationsspektrum zu erweitern, sodass auch Patienten etwa mit einem Glioblastom oder einem Pankreaskarzinom eines Tages von der Checkpointhemmertherapie profitierten. Er sei noch immer "geschockt" über die Verleihung des Medizinnobelpreises.

"Ich hatte als Grundlagenforscher großes Glück zu erfahren, dass meine Forschung nach 20 Jahren tatsächlich den Krebspatienten hilft."

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