Internetsüchtig

Beratung im Netz!

Eine halbe Million Internetsüchtige gibt es in Deutschland, manche verbringen 16 Stunden am Tag im Netz. Ein Online-Beratungsangebot der Uniklinik Bochum will Süchtige genau da abholen, wo ihre Sucht entstanden ist.

Anne BäurleVon Anne Bäurle Veröffentlicht:
Beratung im Netz!

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DÜSSELDORF. Wie macht man Internetsüchtige auf ihre Sucht aufmerksam? Wie bringt man sie vielleicht sogar dazu, sich von einem Psychologen behandeln zu lassen? Die Lösung der Uni-Klinik Bochum lautet: Indem man sie dort anspricht, wo sie zehn, elf und manchmal sogar 16 Stunden am Tag verbringen: im Netz.

Mit OASIS (Online-Ambulanz-Service zur Diagnostik und Beratung von Internetsüchtigen) bieten Dr. Bert te Wildt und seine Kollegen von der Uniklinik Bochum ein Online-Beratungsangebot an, das Betroffene dort abholt, wo ihre Sucht entstanden ist und sie bei Bedarf an eine Behandlungsmöglichkeit in ihrer Nähe vermittelt. Im September ist das bei der Medica vorgestellte Projekt, das gemeinsam mit dem Zentrum für Telematik und Gesundheitswesen entwickelt wurde, gestartet – und konnte bisher bereits 40 Betroffene erreichen.

Pornografie und Cybersex

Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind rund 560.000 Menschen internetabhängig. Zumeist geht es dabei um das Abtauchen in Online-Computerspielwelten, um Pornografie und Cybersex sowie um soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter. Vielen Betroffenen fällt es schwer, das Haus zu verlassen, sie vernachlässigen soziale Beziehungen und verwahrlosen. Oft spielt sich das gesamte Leben in der Online-Welt ab. Der erste Schritt des Beratungsangebots OASIS ist daher ein Selbsttest, den Betroffene in ebendieser Online-Welt finden. Neun Fragen zu Internet- und Freizeitaktivitäten oder körperlicher Verfassung beantwortet der Internetnutzer – charakteristische Anzeichen, ob ein Kontrollverlust besteht oder nicht. Im Anschluss erhält er eine erste Einschätzung, ob sich ein Verdacht auf Internetabhängigkeit ergeben hat oder nicht.

Ist das tatsächlich der Fall, werden dem Betroffenen zwei Online-Sprechstunden via Web-Kamera mit Psychologen der Uniklinik Bochum angeboten. Die Dauer der Sprechstunden hängt dabei von der zugeschalteten Person ab. "Manchmal kann das Gespräch eine Viertelstunde dauern, bei anderen dauert die Beratung vielleicht 50 Minuten", so Psychologe Martin Bielefeld, der gemeinsam mit einer Kollegin die Online-Sprechstunde führt.

Die zweite Sprechstunde diene vor allem dazu, den Betroffenen hinsichtlich allgemeiner und spezifischer Behandlungsmöglichkeiten an ihrem jeweiligen Wohnort zu beraten und an Kollegen zu vermitteln. Dabei kooperiert das Projekt bundesweit mit Psychologen-Verbänden. Doch schaffen es die Betroffenen tatsächlich von der digitalen in die analoge Welt?

"Von den 40 Personen, die an OASIS teilgenommen haben, sind bisher zwei in einer psychologischen Betreuung vor Ort angekommen", so Bielefeld. Er hoffe allerdings auf eine höhere Zahl – das Programm laufe schließlich erst seit einigen Wochen, und bis Betroffene einen Termin bei einem niedergelassenen Facharzt bekämen, dauere es bisweilen.

Das Online-Beratungsangebot richtet sich primär an Erwachsene ab 18 Jahren, allerdings sind von Internetsucht in besonderen Maße Jugendliche im Alter von 14-16 Jahren betroffen: Während der Anteil der Internetsüchtigen bei rund einem Prozent liegt, sind vier Prozent der 14-16-Jährigen betroffen. Um auch diese zu erreichen, bietet OASIS neben einen Online-Test für Betroffene auch einen Test für Angehörige an, um auch die Familie für das Thema zu sensibilisieren. Schließlich fehlen bei den Betroffenen – anders als etwa bei Alkoholikern – beobachtbare Effekte wie Trunkenheit, die auf eine Internetsucht aufmerksam machen könnten.

Finanzierung für zwei Jahre

Zudem bemühen sich te Wildt und seine Kollegen, Jugendliche direkt anzusprechen: So waren OASIS-Mitarbeiter mit einem Stand an der Spielemesse Gamescom vertreten. Das OASIS-Programm wird derzeit über einen Zeitraum von zwei Jahren vom BMG finanziert. Liefert die anschließende Evaluation ein positives Ergebnis, wollen die Wissenschaftler den Online-Ambulanz-Service allen Einrichtungen im deutschen Suchthilfesystem zur Verfügung stellen.

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