Späte Folgen nach CED

Darmkrankheiten im Kindesalter lassen Krebsrisiko steigen

Wer als Kind an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung leidet, erkrankt später doppelt so häufig an Krebs. Die Einführung moderner Therapiestrategien hat daran wohl nichts geändert.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Darmkrankheit als Kind, Krebs im Erwachsenenalter: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen steigern das Krebsrisiko erheblich.

Darmkrankheit als Kind, Krebs im Erwachsenenalter: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen steigern das Krebsrisiko erheblich.

© BeTa-Artworks/stock.adobe.com

STOCKHOLM. Eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED) im Kindesalter ist mit einem erhöhten Tumorrisiko assoziiert. Das hat eine schwedische Kohortenstudie ergeben, die auf Registerdaten aus den Jahren 1964 bis 2014 beruht. Insgesamt umfasst die Studie 9405 Patienten, die bereits im Kindesalter eine Colitis ulcerosa (CU), einen Morbus Crohn (MC) oder eine nicht näher klassifizierte "entzündliche Darmerkrankung" entwickelt hatten (BMJ 2017; 358:j3951).

Die CED war im Mittel im Alter von 15 Jahren diagnostiziert worden, und man hatte die Patienten bis zu einem mittleren Alter von 27 Jahren nachbeobachtet.

Mit CU deutlich höheres Risiko

Wie das Team um den Kindergastroenterologen Ola Olén vom Karolinska Institutet Stockholm berichtet, lag die Rate der Krebserkrankungen in der CED-Kohorte bei 3,3 pro 1000 Personenjahre. Im Vergleich dazu betrug die Krebsrate bei altersentsprechenden Personen ohne CED im Kindesalter 1,5 pro 1000 Personenjahre.

Eine CU im Kindesalter schien dabei mit einem deutlich höheren Krebsrisiko verknüpft zu sein als ein MC; die relativen Risiken lagen bei 2,6 bzw. 1,7. Außerdem war die Gefahr umso höher, je jünger das Kind bei der CEDErkrankung war. Schließlich hatten CED-Patienten auch ein höheres Risiko, bereits vor ihrem 18. Geburtstag einen bösartigen Tumor zu entwickeln; 20 solche Fälle hatten die Forscher in ihrer Kohorte entdeckt, was einer Rate von 0,2 Prozent entspricht.

Risikofaktoren für eine Krebserkrankung schienen neben einer über längere Zeit aktiven Colitis auch eine begleitende sklerosierende Cholangitis sowie frühe Krebsfälle (vor dem 50. Lebensjahr) in der Familie zu sein. Unter den Krebsarten dominierten naheliegenderweise die gastrointestinalen Tumoren; für diese war das Risiko bei CED-Erkrankung im Kindesalter um den Faktor 18 höher als in der Referenzgruppe.

Das Risiko eines kolorektalen Karzinoms war bei einer CU um den Faktor 33,3, bei Patienten mit MC um den Faktor 5,8 erhöht. Das Risiko einer lymphatischen Leukämie war dagegen mit CED nur um das 2,7-Fache erhöht. Mit insgesamt nur zwei Fällen in der Gesamtkohorte waren T-Zell-Lymphome extrem selten.

Interessanterweise war die Krebsrate bei den nach 2001 diagnostizierten CED-Patienten nicht nur nicht zurückgegangen, sondern tendenziell sogar angestiegen. "Wir können nicht ausschließen, dass Thiopurine oder TNF-Inhibitoren das Krebsrisiko erhöhen", so die Studienautoren. Biologika wie die TNF-Inhibitoren Adalimumab oder Infliximab werden etwa seit der Jahrtausendwende in der Behandlung der CED eingesetzt.

Keine Screening-Empfehlungen

Nach 2005 wurden in der CED- Kohorte 3383 Krebsfälle registriert. Dabei lag die Krebsrate bei Patienten, die sowohl Thiopurine als auch TNF-Inhibitoren erhalten hatten, bei 0,9 pro 1000 Personenjahre. Bei Patienten, die weder das eine noch das andere erhalten hatten, war es ein Fall pro 1000 Personenjahre, mit alleiniger Thiopurinbehandlung waren es 1,9 pro 1000 Personenjahre.

Die Forscher räumen jedoch ein, dass die Teststärke in der Analyse zu den Arzneimitteleffekten nicht ausgereicht hätte, um diesen Punkt definitiv beurteilen zu können. Auch sei eine gewisse Verzerrung aufgrund der intensiveren diagnostischen Überwachung von CED-Patienten nicht auszuschließen.

Die Tatsache, dass diese Patienten regelmäßig einer Endoskopie unterzogen würden, könnte dazu beigetragen haben, dass vor allem kolorektale Karzinome früher entdeckt wurden. Von dezidierten Screening-Empfehlungen sehen die Forscher in diesem Zusammenhang allerdings ab.

Die Datenlage spreche derzeit nur dafür, bei der Entwicklung von Screening-Konzepten das Patientenalter bei CED-Diagnose zu beachten.

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